Rz. 3
Verfahrensrechtliche Regelungen können und sind im Regelfall auch auf laufende Verwaltungsverfahren anzuwenden (vgl. BVerfG, Beschluss v. 27.9.1951, 1 BvR 61/51; ebenso BVerfG, Entscheidung v. 31.5.1960, 2 BvL 4/59). Für die Frage, ob die Rückforderung durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden kann, ist jedoch fraglich, ob es sich hinsichtlich einer solchen neu eingeführten Ermächtigungsgrundlage für einseitiges hoheitliches Handeln der Sozialleistungserbringer nur um eine Verfahrensvorschrift oder eine materielle Ermächtigungsnorm handelt.
Rz. 4
Soweit mit den Abs. 6 der §§ 53 und 54 eine Haftung des Zessionars eingeführt wurde, handelt es sich, jedenfalls unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 30.1.2002, B 5 RJ 26/01 R), um eine materiell-rechtliche Neuerung. Deshalb stellt sich die Frage, ob auf den Zeitpunkt der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung abzustellen ist oder auf den Zeitpunkt der Geldleistung. § 71 beschränkt daher ausdrücklich (BT-Drs. 15/4228 S. 25) die Anwendung der Regelungen in § 53 Abs. 6 und § 54 Abs. 6 auf solche Tatbestände, in denen die tatsächliche Geldzahlung erst nach dem 30.3.2005, also ab dem Inkrafttreten vorgenannter Vorschriften, erfolgt ist. Das gilt dann aber auch für Leistungen an Dritte, die aufgrund früherer Abtretung oder Pfändung nach dem 30.3.2005 weiterhin laufend ausgezahlt wurden, z. B. infolge der Abtretung oder Pfändung künftiger Ansprüche (vgl. dazu Diepenbrock, NZS 2004, 585). In der Sache bedeutet dies, dass für die aufgrund einer Abtretung, Verpfändung oder Pfändung vor dem 30.3.2005 erbrachten und zu Unrecht erfolgten Geldleistung von Sozialleistungen an Dritte die bisherigen Rechtsvorschriften weiterhin Anwendung finden. Für vor dem 30.3.2005 abgeschlossene Vorgänge oder bis dahin erfolgte Leistungen an Dritte verbleibt es bei der Rückforderung nur vom Sozialleistungsberechtigten nach §§ 45, 50 SGB X (vgl. BSG, Urteil v. 30.1.2002, B 5 RJ 26/01 R).
Rz. 5
Soweit die Überleitungsregelung auf erbrachte Geldleistungen abstellt, bedeutet dies, dass nicht der Zeitpunkt der Vorlage oder Geltendmachung der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung oder aber der Zeitpunkt der Bewilligung der Leistung maßgeblich ist, sondern der Zeitpunkt der tatsächlich daraufhin erfolgten Auszahlung der Sozialleistung als deren Erfüllung durch Leistung an Dritte i. S. d. § 362 BGB. Insoweit können auch weiter zurückliegende Abtretungen oder Pfändungen (z. B. bei Pfändung oder Abtretung künftiger Rentenansprüche, vgl. dazu Diepenbrock, NZS 2004, 585), die erst nach dem 30.3.2005 zur Auszahlung an Dritte führen, weil z. B. erst danach im Umfang pfändbare Leistungen gewährt wurden oder danach die Leistungsbewilligung erfolgte, der Rückforderung nach § 53 Abs. 6 oder § 54 Abs. 6 unterliegen. Soweit von der Regelung auch bereits vor dem 30.3.2005 erfolgte Abtretungen und Pfändungen erfasst werden, handelt es sich um die verfassungsrechtlich zulässige unechte Rückwirkung in Form der Anknüpfung an früher begründete Rechtsverhältnisse und der Regelung von Folgen daraus für die Zukunft (unechte Rückwirkung).