Rz. 12a
Der Abs. 2 ist durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vollständig neu gefasst worden. In der Begründung (BT-Drs. 17/11473 S. 49) ist dazu ausgeführt, dass es sich bei der Neufassung des Abs. 2 um eine Parallelregelung zur Änderung des § 3a VwVfG handelt, sodass auf die entsprechende Begründung zu dessen Änderung zu verweisen sei. Zur Änderung des § 3a VwVfG ist ausgeführt:
"Sowohl in § 3a Absatz 2 VwVfG als auch in den entsprechenden Regelungen in § 126a BGB, § 87a Abs. 3 AO und § 36a Abs. 2 SGB I ist die Bezeichnung "elektronische Form" im Sinne einer Begriffsbestimmung als Gegenstück zur "Schriftform" zu verstehen. "Elektronische Form" meint danach ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur "qeS" versehen ist. Da im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff "elektronische Form" in einem weiteren Sinne – etwa als Abgrenzung zu papiergebundenen Verfahren – verwendet wird, kann es zu Fehlinterpretationen dieser Formvorschrift kommen. Die Änderung von Abs. 2 Satz 2 macht die Eigenschaft der Regelung als Begriffsbestimmung deutlicher, ohne den Regelungsinhalt zu ändern. Damit ist ein Verständnis der Vorschrift ausgeschlossen, wonach die Bezeichnung "elektronische Form" nicht als Begriffsbestimmung (elektronische Form = elektronisches Dokument + qeS), sondern als Oberbegriff zur Abgrenzung sämtlicher elektronischer Dokumente zu verkörperten (schriftlichen) Dokumenten dient und lediglich zur Ersetzung der Schriftform zusätzlich die Verknüpfung mit der qeS angeordnet wird."
Allerdings war in Abs. 2 weder der Satz 1 noch der Satz 2 textlich verändert worden.
Rz. 12b
Abs. 2 Satz 1 enthält zunächst einmal eine für den gesamten Bereich des Sozial- und Sozialverwaltungsrechts gültige Generalklausel, nach der eine gesetzlich angeordnete Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden kann. Die Schriftform muss sich dabei ausdrücklich aus einer gesetzlichen Bestimmung ergeben, z. B. für Rentenbescheide aus § 117 SGB VI, § 14 BKGG, § 70 EStG oder für Rückforderungsbescheide aus § 50 Abs. 3 SGB X. Diese generelle Zulässigkeit der Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form nach Abs. 2 kann aber wiederum durch gesetzliche Regelung ausdrücklich ausgeschlossen werden (z. B. § 10 Abs. 2 BBG für die Ernennung von Beamten). Mit dem Erfordernis der Schriftform, die gerade auch die Unterschrift erfordert (vgl. § 126 BGB), ist neben der damit verbundenen Warnfunktion insbesondere auch die Echtheits- und Beweisfunktion eines solchen Dokuments verbunden. Daher ist der Begriff "elektronische Form" nicht, wie vielfach im allgemeinen Sprachgebrauch verwandt, nur als Abgrenzung zu papiergebundenen Verfahren gemeint, sondern als elektronisches Dokument, das (erst) durch qualifizierende Voraussetzungen die Schriftform ersetzen kann. Dabei ist es vorrangig die Unterschrift als Identifikation des Absenders, wegen der die Anforderungen an ein elektronisches Dokument bestehen und erst nachrangig der Text, bei dem es durch die Verschlüsselung (nur) darum geht, dass dieser nicht auf dem Weg zwischen Absender und Empfänger verändert wurde. Art. 25 Abs. 2 VO (EU) Nr. 910/2014 bestimmt daher, dass eine qualifizierte elektronische Signatur die gleichen Rechtswirkungen wie eine handschriftliche Unterschrift hat.
Rz. 12c
Soweit der Schriftform die (einfache) elektronische Form gleichgestellt ist (z. B. für die Begründung von Verwaltungsakten in § 35 SGB X; vgl. Komm. dort) oder Anträge formlos möglich sind, liegt kein Schriftformerfordernis vor, welches die Verwendung der qualifizierenden Voraussetzungen der elektronischen Signatur oder gleichgestellter Verfahren verlangt. Auch soweit Vordrucke, die schriftlich auszufüllen sind, zu verwenden sind (vgl. z. B. § 60 Abs. 2), begründet dies keine Schriftform. Die Übermittlung der elektronischen Variante des Vordrucks verlangt andererseits nicht die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur, damit sie den Anforderungen des § 60 genügt.
Rz. 12d
Abzugrenzen von der elektronischen Form i. S. d. § 36a sind auch elektronisch erstellte Dokumente und die Übermittlung von fristwahrenden Schriftstücken mittels elektronischer Medien, wie z. B. ein Computer-Fax (vgl. GmS-OGB, Beschluss v. 5.4.2000, GmS-OGB 1/98) oder ein einer E-Mail als Bilddatei angehängter Schriftsatz, der im Gericht ausgedruckt und mit Eingangsstempel versehen wird (vgl. BGH, Beschluss v. 15.7.2008, X ZB 8/08). Hierbei handelt es sich, auch wenn diese Schriftsätze (nur) mit einer ggf. eingescannten Unterschrift versehen sind, um die Übermittlung von Schriftstücken und schriftlichen Erklärungen, nicht jedoch um elektronische Dokumente i. S. d. § 36a. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 12.10.2016, B 4 AS 1/16 R, und Beschluss v. 30.1.2017, B 1 KR 14/16 S) wird dem Schriftformerfordernis nach dem SGG aber nur dann Genüge getan, wenn bei der Übermittlung eine qualifizierte elektronische Signatur verwandt wird....