Rz. 3
Die Vorschrift setzt das Bestehen von Rechten (sozialrechtlichen Ansprüchen) oder Pflichten (bestimmte Verhaltensgebote) voraus und enthält ein Individualisierungsgebot, indem bei deren Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse, der Bedarf und die Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind. Unter Ausgestaltung ist dabei die Art und Weise und der Umfang der Leistungserbringung zu verstehen, also die "Wie" der Leistung. Dieses Individualisierungsgebot richtet sich einseitig allein an den Sozialleistungsträger i. S. einer Rechtsanwendungsrichtlinie, weil nur dieser zur Leistung und damit dessen Ausgestaltung verpflichtet und berechtigt ist.
Rz. 3a
Die Vorschrift ist in ihrem Anwendungsbereich allerdings zweifach begrenzt. Sie kommt nur zum Tragen, soweit die Rechte und Pflichten nicht bereits nach Art und Umfang gesetzlich festgelegt und begrenzt sind – dann ist kein Raum mehr für eine Individualisierung – und soweit nicht Rechtsvorschriften – im materiellen Sinne (vgl. Weselski/Öndül, in: juris-PK SGB I, § 33 Rz. 27, Stand: 5.10.2023) – entgegenstehen. Es muss also für den Sozialleistungsträger nach Art und Umfang der Rechte und Pflichten ein Handlungsspielraum zur Berücksichtigung individueller Interessen des Berechtigten bestehen. Eingeschränkt ist die praktische Bedeutung der Vorschrift also insbesondere dadurch, dass Geldleistungen umfassend gesetzlich ausgestaltet sein werden; mehr Bedeutung gewinnt die Vorschrift im Bereich von Dienst- und Sachleistungen.
Rz. 4
Des Rückgriffs auf § 33 bedarf es in den Fällen nicht, in denen bereits der Anspruch durch den individuellen Bedarf, die persönlichen und örtlichen Verhältnisse und die Leistungsfähigkeit geprägt ist oder diese Verhältnisse im Rahmen unbestimmter Rechtsbegriffe oder eines eingeräumten Ermessens auf der Tatbestandsseite bereits beim "Ob" und "Wie" des Anspruchs zu berücksichtigen sind (so insbesondere in den Fällen von § 7 SGB III, § 2 Abs. 3 SGB V, § 5 SGB VIII, § 9 SGB IX und § 9 Abs. 2 SGB XII). Insoweit kann § 33 auch Einfluss auf die Ausgestaltung von Ermessensansprüche haben.
Rz. 5
Nicht nach § 33 ist die Wahl zwischen verschiedenen Ansprüchen zu beurteilen. Hier wird der Anspruch durch die Beantragung einer von mehreren alternativ möglichen Leistungen (z. B. Pflegegeld oder Pflegesachleistung gemäß §§ 36, 37 SGB XI, Kostenerstattung statt Sachleistungsgewährung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V, persönliches Budget statt Sachleistungen gemäß § 29 SGB IX) erst bestimmt. Dies gehört nicht zu den Wünschen des Berechtigten, sondern zu den Antrags- und Leistungsvoraussetzungen für die konkreten Sozialleistungen.
Rz. 6
Den individuellen Verhältnissen kann auch nur insoweit nachgekommen werden, als ihnen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dies ergib sich dem Grunde nach bereits aus § 31 (vgl. Komm. dort). Entgegenstehende Rechtsvorschriften sind dabei nicht nur gesetzliche Regelungen, sondern können auch untergesetzliche Rechtsnormen (Rechtsverordnung, Satzung) oder im Krankenversicherungsrecht auch leistungskonkretisierende Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (§ 92 SGB V) sein (vgl. Weselski/Öndül, in: juris-PK SGB I, § 33 Rz. 27, Stand: 5.10.2023). Daher ist den Wünschen und sogar möglicherweise berechtigten Interessen des Berechtigten nicht zu entsprechen, wenn die gewünschte Form und Art der Leistungserbringung nicht vorgesehen ist und der Leistungsträger in soweit keinen Handlungsspielraum hat (vgl. aber zur Auslandsbehandlung, obwohl eine Behandlung im Inland möglich war, BSG, Urteil v. 17.2.2010, B 1 KR 14/09 R). Über § 33 kann daher in der Krankenversicherung nicht die Sachleistungsgewährung durch einen nicht zugelassenen Leistungserbringer (vgl. BSG, Beschluss v. 22.1.2009, B 3 KR 47/08 B) oder über die Regelungen des § 13 SGB V hinaus statt der Sachleistung Kostenerstattung verlangt werden. Die Selbstbeschaffung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Leistung kann daher nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie den Wünschen des grundsätzlich Leistungsberechtigten entsprochen habe, und Kostentragungspflicht auslösen. Die freie Auswahl unter den zugelassenen Leistungserbringern wird bereits durch die besonderen Vorschriften sichergestellt (vgl. BSG, Beschluss v. 22.1.2009, B 3 KR 47/08 B).
Rz. 7
Darüber hinaus ist § 33 nicht anwendbar, wenn nach § 37 Satz 1 vorrangig bereits eine entsprechende Regelung in den besonderen Vorschriften vorhanden ist, wie dies z. B. mit § 9 Abs. 2 SGB XII (früher: § 3 BSHG) und § 5 SGB VIII der Fall ist.
Rz. 8
Die Berücksichtigung von persönlichen Verhältnissen und Wünschen ist daher nur möglich, wo die Ansprüche oder Pflichten ausgestaltet werden können und müssen, also insbesondere das "Wie" der Leistungserbringung gesetzlich offen ist. Dies wird vornehmlich bei der Erbringung von Dienstleistungen oder bei zu erbringenden Rehabilitationsleistungen der Fall sein. Hier sind Wünsche hinsichtlich des Dienstleistungserbringers, der Rehabilitationseinrichtung und ggf. auch ein...