Rz. 11
Mit Abs. 2 wird eine nur beschränkt zulässige Abweichung von dem maßgeblichen dokumentierten Geburtsdatum vorgesehen, bei dem es sich nicht zwingend um das "richtige" Geburtsdatum handeln muss (vgl. Rz. 5). Dementsprechend besteht ein Rechtsanspruch auf Abweichung von dem nach Abs. 1 maßgeblichen Geburtsdatums auch nur im Rahmen von Abs. 2. Abweichungen von Erstangaben sind nur unter den engen Voraussetzungen des Abs. 2 zulässig. Die Beschränkung der Änderung gilt auch dann, wenn dadurch keine Vorteile erlangt werden sollen oder können (a. A. Baier, in: Krauskopf, SozKV SGB I, § 33a Rz. 7, Stand: November 2023).
Rz. 12
"Darf nur" ist im Sinne eines Gesetzesvorbehalts nach § 31 und als Ermächtigung und Befugnis zur Änderung des an sich maßgeblichen ersten dokumentierten Geburtsdatums zu verstehen, nicht aber als Ermessen (BSG, Urteil v. 5.4.2001, B 13 RJ 35/00 R). Hierdurch wird die materielle Wirkung des Abs. 1 verstärkt. Der zuständige Leistungsträger im Geltungsbereich des SGB kann und darf in Abweichung vom an sich maßgeblichen Geburtsdatum ein anderes Geburtsdatum bei seiner Leistungsgewährung nur dann zugrunde legen, wenn er die Voraussetzungen des Abs. 2 feststellt. Sind die Voraussetzungen nicht gegeben, darf das richtige Geburtsdatum selbst dann nicht herangezogen werden, wenn der Nachweis hierfür erbracht ist. Die Nachweislast (Beweislast) liegt dabei bei demjenigen, der sich auf diese Voraussetzungen beruft (so auch Just, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 33a Rz. 15, Stand: November 2021; Lilge, SGB I, 5. 4. Aufl., § 33a Rz. 29).
2.2.1 Schreibfehler (Nr. 1)
Rz. 13
Eine abweichende Altersfeststellung ist bei Feststellung eines Schreibfehlers möglich. Die ausdrücklich angeordnete Berichtigung eines Schreibfehlers bestätigt, dass auch in diesen Fällen zunächst einmal das dokumentierte unrichtige Geburtsdatum nach Abs. 1 maßgeblich ist und bis zur Berichtigung bleibt (a. A. Weselski/Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 33a Rz. 42, Stand: 15.3.2018, die bei einem Schreibfehler durch den Sachbearbeiter oder Arbeitgeber schon ein maßgebliches Geburtsdatum, von dem abgewichen werden müsste, verneinen). In Abgrenzung zu Nr. 2 werden dabei nur Schreibfehler in Betracht kommen, die durch die fehlerhafte Übertragung eines angegebenen oder dokumentierten Geburtsdatums dazu geführt haben, dass schon das zuerst angegebene und damit nach Abs. 1 an sich maßgebliche Geburtsdatum für die Sozialversicherung falsch war, also auf ein fehlerhaftes Ablesen und/oder Eintragen (insbesondere Zahlendreher) zurückzuführen ist. Ein Schreibfehler wird im Regelfall in den Fällen der erstmaligen Angabe eines Geburtsdatums gegenüber einem Sozialleistungsträger vorkommen. Der Schreibfehler muss dabei beim deutschen Sozialleistungsträger gemacht worden sein (BSG, Urteil v. 5.4.2001, B 13 RJ 35/00 R; Hess. LSG, Urteil v. 1.11.2005, L 2 RA 66/04). Folgt man indes der Auffassung, dass ein Schreibfehler nur bei Fehlern aus dem Bereich des Berechtigten vorliegen kann, wäre auch ein Schreibfehler in einem (ausländischen) Dokument erfasst, in dem bereits ein Übertragungsfehler des jeweiligen Ausstellers enthalten ist. Dann ergibt sich allerdings ein Beweisproblem für denjenigen, der sich auf einen solchen Schreibfehler beruft (Weselski/Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 33a Rz. 42, 46, Stand: 15.3.2018).
Rz. 14
Der Nachweis eines Schreibfehlers kann dadurch geführt werden, dass (nur) das vermeintlich angegebene und durch Dokumentation maßgeblich gewordene Geburtsdatum von anderen Altersangaben und Geburtsdaten abweicht oder einem damals gültigen Dokument widersprach. Bei wem die Ursache für den Schreibfehler lag, ist in diesen Fällen unerheblich. Waren bewusst falsche Angaben zum Geburtsdatum gemacht worden, stellt die Übernahme dieses Datums keinen Schreibfehler dar (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 7.3.2012, L 4 R 487/11). Für die Geltendmachung eines Schreibfehlers bei der Festlegung des maßgeblichen Geburtsdatums gibt es keine Fristen. Im Einzelfall können jedoch die §§ 44 ff. SGB X einer rückwirkenden Änderung eines Bescheids entgegenstehen oder wegen falscher Angaben die rückwirkende Aufhebung von Bescheiden rechtfertigen.
2.2.2 Urkundennachweis (Nr. 2)
Rz. 15
Die Abänderung des nach Abs. 1 maßgeblichen Geburtsdatums durch Nachweis der Unrichtigkeit mittels einer Urkunde über ein "anderes" Geburtsdatum darf der jeweilige Leistungsträger nur dann vornehmen, wenn dieser Nachweis durch eine Urkunde geführt wird, die im Original vor der erstmaligen Angabe des Geburtsdatums gegenüber einem Sozialleistungsträger oder Arbeitgeber ausgestellt worden war. Unter Urkunden sind dabei nicht nur solche Schriftstücke zu verstehen, die ihrer Art nach als im Rechtsverkehr gerade zum Nachweis eines bestimmten Geburtsdatums bestimmt und geeignet sind (Personenstandsurkunden, Ausweise, Pässe), sondern Urkunden jeglicher Art (z. B. auch Schulregister, vgl. BSG, Urteil v. 28.4.2004, B 5 RJ 33/03 R; Urteil v. 5.4.2001, B 13 RJ 35/00 R). Aus dem Original der älteren Urkunde muss sich dabei ein andere...