2.1 Verbot der Benachteiligung (Satz 1)
Rz. 6
Das Benachteiligungsverbot besteht "bei" der Inanspruchnahme von sozialen Rechten (i. S. d. Wahrnehmung und Erfüllung) und ist darauf bezogen und begrenzt. Zu den sozialen Rechten (§§ 2 bis 10), die in Anspruch genommen werden können, gehören die in § 11 genannten Dienst-, Sach- und Geldleistungen nach den besonderen Sozialgesetzbüchern, auf die die §§ 18 bis 29 zur Konkretisierung durch Verweis auf die entsprechenden Gesetze verweisen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 57) sollen zu den sozialen Rechten i. S. d. Vorschrift aber auch die Aufklärung, Auskunft und Beratung nach §§ 13 bis 15 gehören. Diese Vorschriften regeln zwar keine sozialen Rechte i. S. d. § 11; Aufklärung, Auskunft und Beratung können jedoch die Kenntnis und die notwendigen Voraussetzungen für die Geltendmachung von sozialen Rechten verschaffen, sodass auch dabei keine Benachteiligung erfolgen darf.
Rz. 7
Da sich das Benachteiligungsverbot auf die Phase der Inanspruchnahme der sozialen Rechte nach den allgemeinen und besonderen Sozialgesetzbüchern (§ 68) bezieht, wird das Bestehen dieser Ansprüche vorausgesetzt (vgl. auch Satz 2) und das Verbot betrifft die Benachteiligung Sozialleistungsberechtigter bei der Geltendmachung, der Ausführung und Erfüllung dieser Geld-, Sach- und Dienstleistungsansprüche. Abgesehen von dem Fall der durch Rasse, ethnische Herkunft oder Behinderung motivierten offensichtlich rechtswidrigen Leistungsverweigerung, kann eine Benachteiligung insbesondere dadurch erfolgen, dass eine zustehende Sozialleistung verzögert, nicht den möglichen und berechtigten Wünschen gemäß (§ 33) oder unter schwierigeren als an sich erforderlichen Bedingungen erbracht wird und diese vom Normalfall abweichende nachteilige und/oder beschwerliche Leistungsgewährung durch Rasse, ethnische Herkunft oder Behinderung des Leistungsempfängers motiviert ist bzw. der Benachteiligende bei seiner diskriminierenden Handlung an diese Merkmale anknüpft. "Niemand" kann daher auch nur jemand sein, für den die Vorschriften der Sozialgesetzbücher einschließlich der besonderen Teile nach § 68 gelten, also nur natürliche Personen. Das Verbot der Diskriminierung richtet sich daher in erster Linie an die Sozialleistungsträger und die Leistungserbringer einschließlich deren Personals (so auch Schifferdecker, in: KassKomm. SGB I, § 33c Rz. 9, Stand: Februar 2024; a. A. Mrozynski, SGB I, 7. Aufl., § 33c Rz. 9, wonach der Leistungsträger dazu verpflichtet ist, auf eine Gestaltung der Rechtsbeziehungen mit den Leistungserbringern hinzuwirken, die eine Diskriminierung nach den 3 Merkmalen vermeidet).
Rz. 8
Untersagt wird durch die Regelung die Benachteiligung aus Gründen, die an die Rasse, ethnische Herkunft oder eine Behinderung anknüpfen. Der Gesetzestext sowohl des AGG als auch des § 33c verwendet statt des in der EU-Richtlinie gebrauchten Begriffs der "Diskriminierung" den der "Benachteiligung", um deutlich zu machen (so die Begründung in BT-Drs. 16/1780 S. 30), dass nicht jede unterschiedliche Behandlung, die mit der Zufügung eines Nachteils verbunden ist, diskriminierenden Charakter habe. Unter "Diskriminierung" solle nämlich schon im allgemeinen Sprachgebrauch nur die rechtswidrige, sozial verwerfliche Ungleichbehandlung verstanden werden; wobei es allerdings auch Fälle der zulässigen unterschiedlichen Behandlung gäbe.
Rz. 9
Der Begriff der Rasse ist insoweit problematisch, als auch europarechtlich gerade die Existenz verschiedener menschlicher Rassen verneint wird (vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 31 unter Hinweis auf den Erwägungsgrund 6 der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG). Das Wort und der Begriff "Rasse" ist lediglich sprachlich als Anknüpfungspunkt an den Begriff des "Rassismus" verwendet worden und sollte zum Ausdruck bringen, dass derjenige, der sich rassistisch verhält, eben die Existenz verschiedener Rassen annimmt. Für die Regelung sei daher auch die Formulierung "aus Gründen der Rasse" und nicht die in Art. 3 Abs. 3 GG verwandte Wendung "wegen seiner Rasse" gewählt worden (vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 31). Daher lässt sich der verwandte Begriff der "Rasse" auch nicht als teilweise identisch mit dem der "ethnischen Herkunft" ansehen (so aber Lilge, SGB I, 5. Aufl. § 33c Rz. 4).
Rz. 10
Das Merkmal der ethnischen Herkunft ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31) in einem weiten Sinn zu verstehen. Es ist EG-rechtlich auszulegen und umfasst auch Kriterien, wie sie das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) vom 7.3.1966 (BGBl. 1969 II S. 961) nennt: Benachteiligungen aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, des nationalen Ursprungs oder des Volkstums (i. S. d. ethnischen Ursprungs). Dies gelte auch dann, wenn nur scheinbar auf die Staatsangehörigkeit oder Religion abgestellt wird, in der Sache aber die ethnische Zugehörigkeit gemeint sei. Die Staatsangehörigkeit ist nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43/EG ansonsten als Differenzierungsmerkmal zugelassen und kann damit auc...