Rz. 1a
Die Vorschrift bezieht sich darauf, dass in sozialrechtlichen Vorschriften vielfach an familienrechtliche Rechtsverhältnisse angeknüpft wird und damit Rechte oder Pflichten nach dem SGB verbunden sind oder sein können. Soweit es auf familienrechtliche Verhältnisse ankommt, ist bei solchen, die nach ausländischem Recht begründet wurden oder für die ausländisches Recht gilt, grundsätzlich auf die Vorschriften des internationalen Privatrechts (Art. 3 ff. EGBGB) abzustellen. Dieses internationale Recht ist, soweit es nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (Öffentlichen Ordnung [ordre public] Art. 6 EGBGB), dann auch für das SGB als maßgeblich zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil v. 3.12.1996, 10 RKg 12/94). Die Regelung ist daher keine Kollisionsnorm, die darüber befindet, ob inländisches (Sozial)Recht Anwendung findet, vielmehr regelt sie – als Schnittpunkt zwischen Internationalem Privatrecht und Sozialrecht –, unter welchen Voraussetzungen einem Rechtsverhältnis, das nach ausländischem Recht zu beurteilen ist, nach nationalem Recht Bedeutung zukommt (h. M. vgl. Weselski/Öndül, in: juris-PK, SGB I, § 34 Rz. 12, Stand: 15.3.2018; Just, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 34 Rz. 1, Stand: November 2021; Lilge, SGB I, 5. Aufl., § 34 Rz. 6; Mrozynski, SGB I, 7. Aufl., § 34 Rz. 2).
Rz. 1b
Die Regelung begrenzt, über Art. 6 EGBGB hinaus, die Anwendung von nach ausländischem Recht zu beurteilenden familienrechtlichen Tatbeständen auf solche Rechtsverhältnisse, die auch im deutschen Familienrecht existieren und jedenfalls mit solchen vergleichbar sind. Die Regelung ist dementsprechend im Gesetzentwurf (BT-Drs. 10/504 S. 96) damit begründet worden, dass die Vorschriften des SGB häufig an familienrechtliche Begriffe (z. B. Ehe, Annahme als Kind) anknüpfen, die nach internationalem Privatrecht durch das Recht eines anderen Staates ausgefüllt werden. Da den Vorschriften des SGB die Begriffsinhalte des deutschen bürgerlichen Rechts zugrunde liegen, müsse ausgeschlossen werden, dass das SGB dadurch ungewollt verändert werde, insbesondere Leistungsansprüche für neue Personenkreise begründet würden. Die gegenüber dem Gesetzentwurf erheblich veränderte und Gesetz gewordene Fassung ist in BT-Drs. 10/5632 S. 48 wie folgt begründet worden: "Die Vorschrift soll sicherstellen, dass im Rahmen der Anwendung des Sozialgesetzbuches fremden Recht unterliegende familienrechtliche Beziehungen nur dann wie solche nach deutschem Recht zu behandeln sind, wenn sie diesem im Wesentlichen entsprechen. Dieser Gedanke soll durch die vorgeschlagene Fassung deutlicher als im Regierungsentwurf zum Ausdruck kommen."
Rz. 2
Die Vorschrift steht nicht unter dem Vorbehalt besonderer Bestimmungen (§ 37 Satz 2). Zwischen- oder überstaatliche Abkommen können jedoch nach § 30 Abs. 2 vorgehen.
Rz. 2a
Voraussetzung für die Anwendung des § 34 ist, dass bei der Anwendung des SGB die entscheidungsrelevante sozialrechtliche Vorschrift tatbestandlich an ein familienrechtliches Rechtsverhältnis (Ehegatte, Kind, Annahme als Kind, Adoptionskind, Scheidung etc.) anknüpft (1. Prüfungsschritt). Sodann ist festzustellen, ob ein Familienrechtsverhältnis vorliegt, das dem Recht eines anderen Staates folgt (nach Art. 3 ff. EGBGB) und das nach dem dann anzuwendenden Recht auch besteht (2. Prüfungsschritt). Zuletzt ist zu prüfen, ob dieses sich nach ausländischem Recht richtende Familienrechtsverhältnis dem inländischen Familienrechtsverhältnis entspricht (3. Prüfungsschritt).