Rz. 2
Im Zusammenhang mit einem Versicherungsverhältnis und der Erbringung von Sozialleistungen wird von den Leistungsträgern eine Fülle von persönlichen Daten (Berufsweg, Einkommen, Familienverhältnisse, Gesundheitszustand usw.) benötigt. Diesem umfassenden Informationsbedarf können sich die betroffenen Personen faktisch nicht entziehen, da ihnen eine gesetzliche Mitwirkungspflicht obliegt (vgl. §§ 60 ff.), deren Nichtbefolgen zu nachteiligen Folgen z. B. in Form einer Leistungsversagung oder eines Leistungsentzuges führen kann.
Dem gegenüber steht das Recht eines jeden auf informationelle Selbstbestimmung, ausdrücklich bestätigt durch das Urteil des BVerfG v. 15.12.1983 zum Volkszählungsgesetz (BVerfGE 65 S. 1). Dieses aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Grundrecht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.
Rz. 3
Der Gesetzgeber hat dem dadurch Rechnung getragen, dass er für die Sozialdaten und die ihnen gleichgestellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einen erhöhten Schutz geschaffen hat, vergleichbar mit dem Steuergeheimnis. Dem Einzelnen wird der Anspruch eingeräumt, dass die ihn betreffenden Sozialdaten nicht unbefugt verarbeitet werden. Ziel des Gesetzgebers ist vor allem, so weit wie möglich sicherzustellen, dass niemand dadurch, dass er der Sozialversicherung angehört oder auf Sozialleistungen angewiesen ist, mehr als andere Bürger staatlichem Eingriff oder Zugriff ausgesetzt sein soll.
Rz. 4
Der Gesetzgeber hat hierfür den Begriff Sozialgeheimnis geprägt und in Abs. 1 Satz 1 legal definiert. § 35 ist die Grundnorm des gesamten Sozialdatenschutzes. Es gilt der Grundsatz des generellen Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt, d. h., es ist zunächst alles verboten, es sei denn, es wird ausdrücklich im Gesetz erlaubt. Konkret muss sich diese Erlaubnis aus dem 2. Kapitel des SGB X (Schutz der Sozialdaten) oder den übrigen Büchern des Sozialgesetzbuches ergeben, soweit sie sich nicht bereits aus der unmittelbar geltenden DSGVO ergibt (vgl. Abs. 2).
Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Sozialdatenschutzes regeln das bereichsspezifische Datenschutzrecht abschließend. Diese haben gegenüber den Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) Vorrang (§ 1 Abs. 2 BDSG); daher kann im Sozialdatenschutzrecht nicht auf die Vorschriften des BDSG subsidiär zurückgegriffen werden, sofern nicht im Einzelfall auf die Regelungen des BDSG ausdrücklich verwiesen wird (BT-Drs. 18/12611).
Rz. 5
§ 37 Satz 1 legt als Grundsatz fest, dass die Vorschriften des SGB I und SGB X für alle Sozialleistungsbereiche des SGB gelten. Damit wird insbesondere eine Einheitlichkeit im Verwaltungsverfahren und bei den allgemeinen Vorschriften angestrebt. Ausnahmen sind nach § 37 Satz 1 HS 2 nur zulässig, wenn sie ausdrücklich in den anderen Büchern des SGB geregelt sind. Nach § 37 Satz 2 gilt dieser Vorbehalt in bestimmten Fällen, die abschließend aufgezählt sind, nicht. In diesen Fällen wird dem SGB I und dem SGB X unbedingter Vorrang eingeräumt. Hierzu zählt u. a. § 35, der in seinem Abs. 2 festlegt, unter welchen Voraussetzungen eine Verarbeitung (und damit eine Übermittlung) von Sozialdaten zulässig ist. Sofern also die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 vorliegen, ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig. Etwaige Einschränkungen (Zweckbindungen z. B. in § 28p Abs. 8 SGB IV) in anderen Büchern des SGB sind nicht einschlägig.