Rz. 17
Die DSGVO gilt nach deren EG 27 ausdrücklich nicht für die personenbezogenen Daten Verstorbener. Die Mitgliedstaaten der EU können hierzu aber nationale Vorschriften erlassen. § 35 Abs. 5 ist eine derartige nationale Regelung für die Verarbeitung von Sozialdaten Verstorbener.
Sie dürfen nach Satz 1 grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 67 ff. SGB X (2. Kapitel SGB X) verarbeitet werden. Damit hat der Gesetzgeber die Sozialdaten Verstorbener den Daten von Lebenden fast gleichgestellt. Im Unterschied zu § 35 Abs. 2 beschränkt sich Abs. 5 auf die Vorschriften des 2. Kapitels als zulässige Verarbeitungsgrundlage, während Abs. 2 seit 25.5.2018 ausdrücklich zusätzlich auch Vorschriften "der übrigen Bücher" als zulässig erklärt (vgl. Rz 30). Ob diese "Ungleichbehandlung" tatsächlich beabsichtigt war, lässt sich auch der Gesetzesbegründung nicht entnehmen (BT-Drs. 18/12611). Dort wird zu § 35 Abs. 5 nur erläutert, dass "der weite Begriff verarbeiten" i. S. d. Art. 4 Nr. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 verwendet wird, mit der Folge, dass die Erhebung von Sozialdaten über Verstorbene unter den Voraussetzungen der datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches zulässig ist. Damit wird den Bedürfnissen der Praxis Rechnung getragen.
Die Mitteilungen zum Tod und auch zum Todesdatum werden nicht vom Schutz des Sozialgeheimnisses umfasst und können daher zulässig übermittelt werden (vgl. Erlass des BMA v. 24.1.1986, IV 91 – 49935 – 68/2).
Rz. 18
Satz 2 enthält insoweit eine erleichternde Ausnahme, als außerdem die Verarbeitung zulässig ist, wenn schutzwürdige Interessen (zu diesem Begriff vgl. Komm. zu § 68 SGB X) des Verstorbenen oder seiner Angehörigen nicht beeinträchtigt werden können. Der Begriff "Angehörige" ist weder im SGB noch im Bürgerlichen Recht definiert. Zu den Angehörigen zählen auf jeden Fall die familienversicherten Personen gemäß § 10 SGB V. Eine Orientierung bieten auch § 56 SGB I und § 16 Abs. 5 SGB X.
Rz. 19
Bei der Prüfung der Sozialleistungsträger, ob durch eine Datenweitergabe mögliche schutzwürdige Interessen des Verstorbenen beeinträchtigt werden könnten, muss also – wie bei dem zu § 203 Abs. 4 StGB entwickelten Gesichtspunkt der mutmaßlichen Einwilligung – Motivforschung dahingehend angestellt werden, ob der Verstorbene, könnte er gefragt werden, der Datenübermittlung zustimmen würde. Im Zweifelsfall sollten auch bekannte Angehörige des Verstorbenen befragt werden. Begehren dagegen die Angehörigen selbst Auskünfte, z. B. im Rahmen von Erbschaftsstreitigkeiten, müssen diese regelmäßig abgelehnt werden, da vom Sozialleistungsträger kaum eine Entscheidung zu treffen sein dürfte, welche Interessen schutzwürdig sind. Anders sieht es nur dann aus, wenn Angehörige oder Erben die Daten des Verstorbenen zur Erfüllung einer Verpflichtung benötigen, die zu Lebzeiten dem Verstorbenen selbst oblegen hat. Im Wesentlichen sind dies Steuererklärungen, zu deren Abgabe die Finanzämter aufgefordert haben. Sofern die auskunftsbegehrenden Angehörigen oder Erben diese Aufforderung des Finanzamtes vorlegen, können die erforderlichen Daten des Verstorbenen übermittelt werden.
Rz. 20
Werden Lebensdaten des Verstorbenen, z. B. seine Rentenbeitragsbiografie, zur Feststellung des eigenständigen Leistungsanspruches seiner Witwe (Hinterbliebenenrente) benötigt, so werden die Daten des Verstorbenen insoweit auch zu Daten der Witwe mit der Folge, dass auch diese selbst einen Schutzanspruch gem. Abs. 1 hat.