Rz. 15
Der mit Wirkung zum 1.7.1983 eingefügte Satz 2 räumt nur noch den §§ 1 bis 17 und §§ 31 bis 36 unbedingten Vorrang gegenüber den besonderen Teilen des SGB ein, indem der Vorbehalt für abweichende besondere Regelungen für diese Vorschriften gerade nicht gelten soll. Durch die unveränderte und generelle Ausnahme für die §§ 31 bis 36 werden davon auch die später eingefügten §§ 33a bis 33c erfasst. Die Regelung des § 36a (Elektronische Kommunikation) wird jedoch von Satz 2 nicht erfasst, weil dort in Abs. 2 Satz 1 darauf verwiesen ist, dass gesetzliche Ausnahmen von der Ersetzung der Schriftform durch elektronische Dokumente bestehen können (vgl. Komm. zu § 36a).
Rz. 16
Soweit die §§ 1 bis 17 genannt sind, kommt diesem unbedingten Vorrang nur wenig praktische Bedeutung zu (Fastabend, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 37 Rz. 18, Stand: Oktober 2003). Die §§ 1 und 2 enthalten lediglich den Hinweis auf die Zwecksetzung des SGB bzw. zur Auslegung der Vorschriften, sodass konkrete Abweichungen davon in den besonderen Büchern kaum denkbar sind. Die in den §§ 3 bis 10 beschriebenen sozialen Rechte beinhalten trotz ihres vermeintlich Ansprüche regelnden Inhalts keine solchen Ansprüche, sondern bedürfen inhaltlich notwendig noch der Konkretisierung durch gesetzliche Regelungen in den besonderen Gesetzbüchern, sodass sie nicht nur ihrerseits bereits unter dem Vorbehalt der Regelung durch besondere Bestimmungen stehen (vgl. § 2 Abs. 1), sondern deshalb in den besonderen Büchern im Regelfall auch keine davon abweichenden Regelungen enthalten sein können. Die §§ 11 bis 17 enthalten weitgehend so allgemeine Grundsätze und Aussagen über Sozialleistungen und Sozialleistungsträger, dass konkret davon abweichende Bestimmungen in besonderen Büchern kaum getroffen werden können, soweit diese Regelungen sich nicht sogar nur auf die Verweisung der Regelungen in den besonderen Büchern beschränken (so z. B. § 12 zu den Zuständigkeiten der Leistungsträger). Bedeutung können diese Regelungen jedoch dadurch erhalten, als sie Definitionen enthalten, die in anderen Vorschriften in Bezug genommen werden. So definiert § 11 Satz 1 den Begriff der Sozialleistung für alle Sozialleistungsbereiche verbindlich. Sozialleistungen sind daher (nur) solche Leistungen, die der Verwirklichung eines der in §§ 3 bis 10 genannten sozialen Rechte dienen, im SGB geregelt sind und die dem Träger der sozialen Rechte dadurch zugutekommen, dass bei ihm eine vorteilhafte Rechtsposition begründet wird. Hierauf stellen auch die Erstattungsansprüche der §§ 102 ff. SGB X ab, sodass die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X dann nicht eintritt, wenn ein Leistungsträger (irrtümlich) an einen Leistungserbringer leistet, denn innerhalb dieses Verhältnisses ist kein Sozialleistungsberechtigter beteiligt (vgl. BSG, Urteil v. 28.3.2017, B 1 KR 15/16 R). Die unbedingte Geltung der in die Verweisung mit einbezogenen Regelungen über Aufklärung, Beratung und Auskunft (§§ 13 bis 15) bestätigt lediglich deren besondere Bedeutung für das Sozialrecht, sodass in den besonderen Büchern wirkliche Abweichungen davon kaum denkbar sind. In besonderen Büchern können aber Ausweitungen und Konkretisierungen dazu vorgesehen sein.
Rz. 17
Die weiteren allgemeinen Bestimmungen der §§ 31 bis 36 werden zumeist nicht durch Vorschriften in den besonderen Büchern abweichend geregelt, so dass sich Zweifel an ihrer Geltung ergeben könnten. In den besonderen Büchern werden diese Regelungen allenfalls inhaltlich aufgegriffen und bereichsspezifisch wiederholt (z. B. das Legalitätsprinzip des § 31 in § 30 SGB IV, die Berücksichtigung von Wünschen nach § 33 in § 2 Abs. 3 SGB V, § 16 Abs. 2 SGB VI oder jetzt § 8 SGB IX, § 9 Abs. 2 SGB XII). Hier können diese Regelungen nebeneinander und sich ergänzend herangezogen werden.
Rz. 18
Die von dem Vorrang an sich erfasste Regelung des § 35 über den Sozialdatenschutz genießt keinen absoluten Vorrang vor Regelungen zum Datenschutz in den besonderen Büchern. Grundsätzlich sind Sozialdaten zwar geschützt, aber nur hinsichtlich der unbefugten Erhebung und Offenbarung. § 35 Abs. 2 verweist für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten auf die Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X (§§ 67 ff. SGB X). Da diese datenschutzrechtlichen Regelungen wiederum auf besondere Vorschriften für die Erhebung und Übermittlung von Sozialdaten verweisen, bleiben trotz des Vorrangs des § 35 bereichsspezifische Regelungen in den besonderen Gesetzbüchern und auch in anderen Gesetzen dadurch möglich, dass entweder die Zulässigkeit der Datenerhebung in diesen Gesetzen geregelt ist oder darin die Verwendung und/oder Offenbarung von Sozialdaten vorgesehen ist. So werden in den §§ 67a bis 77 SGB X nicht nur der Umfang und Inhalt der Datenerhebung durch besondere Gesetze bestimmt, sondern auch bestimmt, aus welchen Gründen wiederum eine Offenbarung von Sozialdaten an Dritte zulässig ist. Soweit z. B. die §§ 284 ff. SGB V, §§ 147 ff. SGB VI, §§ 199 ff. SGB VII, §§ 61 ff. SGB VIII, §§ 93 ff...