2.1 Arbeitsgelegenheiten in Aufnahmeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen (Abs. 1 Satz 1)
Rz. 4
§ 5 Abs. 1 sieht vor, dass in Aufnahmeeinrichtungen und in vergleichbaren Einrichtungen Arbeitsgelegenheiten, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung, zur Verfügung gestellt werden sollen. Es geht dabei nach den Dokumentationen über das Gesetzgebungsverfahren (BT-Drs. 12/4451 noch zu § 4 des Entwurfs) nicht um eine arbeitsrechtliche, entgeltliche Beschäftigung, sondern um Tätigkeiten in der und für die Einrichtung und die dort lebenden Personen, wie sie auch bei individuellem Wohnen und Wirtschaften vergleichbar in "Haus und Familie" anfallen. Das Sachleistungsprinzip soll durch diese Regelung im Sinne einer vermehrten selbstversorgenden Tätigkeit ergänzt werden. Deswegen ist für Arbeitsgelegenheiten in solchen Einrichtungen auch nicht vorgeschrieben, dass sie gemeinnütziger und zusätzlicher Art sind. Die Obliegenheiten, sich selbst zu versorgen und die bewohnten Räumlichkeiten (Zimmer) selbst sauber zu halten, werden vom Gesetzgeber als selbstverständlich vorausgesetzt und in § 5 Abs. 1 nur im HS 2 zur Klarstellung dahingehend angesprochen, dass diese Obliegenheiten nicht Gegenstand der Arbeitsgelegenheit sind.
Rz. 5
Der Begriff der vergleichbaren Einrichtung spricht solche Angebote von Unterbringungsmöglichkeiten der Leistungsträger an, in denen Sachleistungen erbracht werden (VG Hannover, Urteil v. 5.2.2002, 7 A 1899/99). Einzelne Wohnungen, die nicht als dezentrale Einheit einer Einrichtung angesehen werden können, in der Sachleistungen erbracht werden, sind keine vergleichbaren Einrichtungen im oben genannten Sinne und fallen nicht unter § 5 Abs. 1 Satz 1 (VG Hannover, a. a. O.).
Rz. 6
§ 5 Abs. 1 ist als Soll-Vorschrift ausgestaltet, so dass der zuständige Träger Arbeitsgelegenheiten schaffen muss. Diese Pflicht besteht aber nur im öffentlichen Interesse, so dass der Leistungsberechtigte hierauf keinen (subjektiven) einklagbaren Anspruch hat (Frerichs, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 5 Rz. 36; Herbst, in: Mergler/Zink, AsylbLG, § 5 Rz. 4).
2.2 Arbeitsgelegenheiten außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen (Abs. 1 Satz 2)
Rz. 7
Abs. 1 Satz 2 regelt ergänzend die Verpflichtung zur Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten auch sonstiger staatlicher, kommunaler und gemeinnütziger Träger, die keine Aufnahmeeinrichtung i. S. d. Abs. 1 Satz 1 betreiben. Diese Verpflichtung steht aber ausdrücklich unter dem Vorbehalt des Möglichen, was bedeutet, dass zum einen den angesprochenen Körperschaften tatsächlich Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung stehen und zum anderen ausreichende fiskalische Möglichkeiten gegeben sein müssen.
Rz. 8
Die weitere Einschränkung, dass die Tätigkeiten "sonst nicht, nicht in diesem Umfang, oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden" darf, bezweckt den Schutz des ersten Arbeitsmarktes. Es soll vermieden werden, dass reguläre Arbeitskräfte aus ihren Tätigkeitsfeldern verdrängt werden. Daher ist eine enge Auslegung geboten (Frerichs, a. a. O., Rz. 41). Beispiele für zusätzliche Arbeiten sind etwa jahreszeitlich nicht unbedingt notwendige Reinigungsarbeiten in Grünanlagen.
Rz. 9
Die nach Abs. 1 Satz 2 abverlangte Tätigkeit muss nicht notwendigerweise der Aufrechterhaltung oder Betreibung der Unterkunft dienen (OVG Münster, Beschluss v. 14.7.2000, 16 B 605/00).
2.3 Aufwandsentschädigungen (Abs. 2)
Rz. 10
Die in Abs. 2 vorgesehene Aufwandsentschädigung von zunächst 1,05 EUR je Stunde, die durch das Integrationsgesetz v. 29.7.2016 (sog. Asylpaket III, BGBl. I S. 1939) auf nunmehr 0,80 EUR herabgesetzt worden ist, soll die zusätzlichen Aufwendungen abdecken, die durch erhöhten arbeitsbedingten Bedarf entstehen. Die Aufwandsentschädigung stellt kein Einkommen i. S. d. § 7 dar (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 5 Rz. 13; Herbst, in: Mergler/Zink, AsylbLG, § 5 Rz. 12). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Arbeitskleidung und Arbeitsmittel bei Arbeiten in der Aufnahmeeinrichtung sowie in sonstigen Einrichtungen gestellt werden und dass auswärtige Verpflegung nicht anfällt. Daher wird der zusätzliche Aufwand gering eingeschätzt. Falls der Leistungsberechtigte jedoch im Einzelfall höhere notwendige Aufwendungen nachweist, die ihm durch die Wahrnehmung der Arbeitsgelegenheit entstehen, so sind diese zu erstatten.
2.4 Zeitliche und räumliche Ausgestaltung (Abs. 3 Satz 1)
Rz. 11
Abs. 3 legt die Anforderungen an die Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheiten fest. Der Begriff der "zumutbaren Weise", bei dem es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff handelt, bedeutet auch, dass dem Ausländer die auferlegte Arbeitspflicht frühzeitig bekanntzugeben, sowie Art und Dauer der Tätigkeit hinreichend klar zu bestimmen sind (Hohm, AsylbLG, § 5 Rz. 33, Stand: April 2008, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil v. 10.2.1983, 5 C 115/81).
Rz. 12
Der Hinweis auf die "zumindest stundenweise" Tätigkeit soll verdeutlichen, dass die Regelung nicht auf einen vollen Einsatz von Erwerbstätigen abzielt, sondern auf zeitlich flexible Regelungen i. S. d. Selbstversorgungsprinzips (BT-Drs. 12/4451 zu § 4 des Entwurfs). Hieraus folgt, dass nach Sinn und Zweck der Regelung keine vollschichtige Inanspruchnahme...