Rz. 7
Die Verpflichtung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde ("kann"). Der oder die Leistungsberechtigte hat kein subjektives Recht auf Teilnahme. Die Leistungsbehörde hat die Ausübung ihres Ermessens an den in § 43 AufenthG beschriebenen Zielen des Integrationskurses auszurichten. Von Bedeutung ist somit insbesondere, ob eine Verpflichtung zur Kursteilnahme unter Beachtung des individuellen Sprachniveaus der betroffenen Person geeignet und erforderlich ist, ihre Integration in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in Deutschland zu befördern. Daran kann es etwa fehlen, wenn der oder die Betroffene die deutsche Sprache bereits so gut beherrscht, dass eine Teilnahme nicht zweckmäßig erscheint. Für eine Verpflichtung kann dagegen sprechen, wenn ein möglichst frühzeitiger Spracherwerb im konkreten Fall die Chancen auf eine rasche Eingliederung in Arbeit oder Ausbildung erhöht oder aus anderen Gründen von einer besonderen Integrationsbedürftigkeit auszugehen ist. Zu berücksichtigen ist weiterhin, ob Kursplätze in ausreichender Zahl verfügbar sind und ob der Kursbesuch für die oder den Leistungsberechtigten zumutbar ist, da andernfalls eine Verpflichtung hierzu nicht sinnvoll wäre (BT-Drs. 18/8615 S. 40).
Rz. 8
Obwohl die Zumutbarkeit der Teilnahme am Integrationskurs erst in Abs. 2 Satz 1 erwähnt wird, hat die Behörde diese Voraussetzung bereits bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Verpflichtung des Leistungsberechtigten aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Informationen zu klären (Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 5b Rz. 41). Abs. 2 Satz 2 lautet: "§ 11 Absatz 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt für die Beurteilung der Zumutbarkeit entsprechend." Dies bezieht sich auf eine Fassung der Norm, die vor dem 1.1.2023 galt. Der ungenau arbeitende derzeitige Gesetzgeber hat dies offensichtlich bisher nicht bemerkt.
Rz. 9
Die vor dem 1.1.2023 geltende Fassung des § 11 Abs. 4 SGB XII lautete:
Den Leistungsberechtigten darf eine Tätigkeit nicht zugemutet werden, wenn
- sie wegen Erwerbsminderung, Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit hierzu nicht in der Lage sind oder
- sie ein der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 35 des Sechsten Buches) entsprechendes Lebensalter erreicht oder überschritten haben oder
- der Tätigkeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.
Ihnen darf eine Tätigkeit insbesondere nicht zugemutet werden, soweit dadurch die geordnete Erziehung eines Kindes gefährdet würde .Die geordnete Erziehung eines Kindes, das das 3. Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Familie der Leistungsberechtigten die Betreuung des Kindes in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches sichergestellt ist. Die Träger der Sozialhilfe sollen darauf hinwirken, dass Alleinerziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird. Auch sonst sind die Pflichten zu berücksichtigen, die den Leistungsberechtigten durch die Führung eines Haushalts oder die Pflege eines Angehörigen entstehen.
Rz. 10
Ein wichtiger Grund steht also dann entgegen, wenn zwar die Teilnahme an dem Integrationskurs grundsätzlich zumutbar ist, jedoch aufgrund der besonderen Belange des Betroffenen im Einzelfall oder aufgrund nachträglich eintretender Veränderung die Teilnahme unzumutbar erscheint. Zusätzlich zu den oben genannten Gründen können auch Erkrankungen oder unauflösbare Terminkonflikte, etwa wegen eines Gerichtstermins, einen wichtigen Grund darstellen (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 5b Rz. 14). Außerdem sind diejenigen Ausländer gemäß § 44a Abs. 2 AufenthG von der Teilnahmeverpflichtung ausgenommen, die sich im Bundesgebiet in einer beruflichen oder sonstigen Ausbildung befinden, die die Teilnahme an vergleichbaren Bildungsangeboten im Bundesgebiet nachweisen oder deren Teilnahme auf Dauer unmöglich oder unzumutbar ist. Ferner sind gemäß § 44a Abs. 3 AufenthG diejenigen Ausländer ausgenommen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG besitzen, wenn sie nachweisen, dass sie bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zur Erlangung ihrer Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigte an Integrationsmaßnahmen teilgenommen haben.