2.1 Eilfall
Rz. 3
Anspruchsberechtigt ist jede natürliche oder juristische Person, die in einem Eilfall Leistungen erbracht hat. In erster Linie kommen Ärzte und Zahnärzte sowie deren Organisationsformen (z. B. Medizinische Versorgungszentren) und Krankenhausträger in unterschiedlichen Rechtsformen in Betracht. Der Leistungsberechtigte selbst hat keinen Erstattungsanspruch. Der vom Arzt beauftragte Leistungserbringer (z. B. Pharmaunternehmer) hat ebenfalls keinen Erstattungsanspruch, wohl aber der Arzt, wenn er Medikamente oder Hilfsmittel finanziert. Für Analogleistungsberechtigte folgt der Erstattungsanspruch aus entsprechender Anwendung von § 25 SGB XII.
Rz. 4
Ein Anspruch des Nothelfers ist nur im sog. Eilfall gegeben. Ein Eilfall i. S. d. § 6a liegt vor, wenn in einer plötzlich auftretenden Notlage sofort gehandelt werden muss und nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Leistung des zuständigen Leistungsträgers nicht zu erlangen ist. Planbare und infolgedessen aufschiebbare medizinische Maßnahmen (z. B. eine Operation) können bereits vom Hilfebedarf her keinen Eilfall begründen (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6a Rz. 11 ff.). Liegt von der Bedarfslage her ein Not- und Eilfall vor, so muss außerdem ein Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinne vorliegen. Danach besteht der Erstattungsanspruch des sog. Nothelfers nur dann, wenn der Leistungsträger bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von dem Leistungsfall hat. Die Kenntnis des Leistungsträgers von der Leistungsberechtigung nach § 1 reicht nicht aus. Ansonsten würde der Erstattungsanspruch nach § 6a von seltenen Ausnahmefällen abgesehen leerlaufen, denn die Leistungsberechtigung des Betreffenden ist dem Leistungsträger regelmäßig schon vor Eintritt eines Eilfalles bekannt (Coseriu/Filges, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6b Rz. 16). Daher erlangt der Leistungsträger erst dann Kenntnis, wenn ihm das Vorliegen einer Bedarfslage dargetan wurde oder auf andere Weise bekannt geworden ist (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6b Rz. 9,mit Hinweis auf BSG, Urteil v. 28.8.2018, B 8 SO 9/17 R).
Rz. 5
Sobald der Leistungsträger die Kenntnis erlangt, entfällt der Anspruch des Nothelfers und der Anspruch des Leistungsberechtigten aus §§ 3, 4 oder 6 entsteht. Grundsätzlich darf eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen sein; der Sozialhilfeträger darf nicht eingeschaltet werden können. Es darf keine Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleiben, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten. Der Anspruch des Nothelfers besteht also in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur dann, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers bildet damit die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen (BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 8 SO 13/12 R; LSG Hamburg, Urteil v. 28.4.2022, L 4 AY 8/20; Waldhorst-Kahnau, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6a Rz. 9 und SGB XII, § 25 Rz. 18 f.). Der zum gleichen Zeitpunkt wie § 6a vom Gesetzgeber eingeführte § 6b ordnet die entsprechende Anwendung von § 18 SGB XII für die Bestimmung des Zeitpunkts des Einsetzens der Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 an. Nach dieser Vorschrift setzt die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Dies gilt also für die Ansprüche nach den §§ 3, 4 und 6 entsprechend.
Rz. 6
Bezieht der Leistungsempfänger wegen einer Erkrankung bereits Leistungen nach § 4 und verschlimmert sich anschließend die Erkrankung mit der Folge, dass ein Notfall eintritt, so handelt es sich nicht um einen Eilfall i. S. d. § 6a. Folglich entsteht bei einer infolge der Verschlimmerung erforderlich gewordenen Krankenhausbehandlung kein Anspruch des Krankenhausträgers, sondern der Leistungsberechtigte hat einen Sachleistungsanspruch auf die Krankenhausbehandlung. Tritt hingegen eine andere Erkrankung auf, die zu einem Not- und Eilfall führt, so entsteht ein neuer Bedarfsfall und ggf. ein neuer Eilfall mit der Folge, dass ein (neuer) Erstattungsanspruch gemäß § 6a in Betracht kommt (Waldhorst-Kahnau, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6a Rz. 20 f.).
Rz. 7
Der zuständige Leistungsträger müsste hypothetisch im Falle der Kenntnis von dem Leistungsfall nach §§ 3, 4 oder 6 zur Leistung verpflichtet gewesen sein. Die Voraussetzungen nach der jeweiligen Vorschrift müsste also gegeben sein. Satz 1 gebietet diese hypothetische Akzessorietät ("die bei rechtzeitigem Einsetzen von Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 nicht zu erbringen gewesen wären"). Der Nothelfer darf nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zur Kostentragung ver...