Rz. 11
Abs. 3 konkretisiert die in Abs. 2 und in Art. 6 Abs. 2 GG formulierte Aufgabenzuweisung, indem Gefahrenvorsorge und Gefahrenabwehr als Ausprägungen des stattlichen Wächteramtes aufgeführt werden.
Rz. 12
Abs. 3 schafft damit einen Anspruch der Eltern bei der Wahrnehmung ihres Erziehungsrechts und ihrer Erziehungsverantwortung auf Unterstützung. Unterstützungsleistungen sind dabei niedrigschwellige Hilfeangebote für die Eltern.
Rz. 13
Berechtigter Personenkreis sind nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers insoweit nur die Eltern; ein Träger der Kinder- und Jugendhilfe kann aus dem Elternrecht i. S. v. § 1 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 und 4 sowie Art. 6 Abs. 3 GG somit keine eigene Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Beeinträchtigung seiner Aufgaben herleiten (VG Dresden, Beschluss v. 15.4.2020, 6 L 257/20 Rz. 26 und 29 mit Anm. in: ZKJ 2020 S. 232).
Rz. 14
Voraussetzung für die Unterstützungsleistung ist – ganz ähnlich wie in §§ 27 ff. SGB VI – eine erzieherische Mangellage. So kommt eine Unterstützungsleistung in belastenden Lebenslagen (z. B. aufgrund der psychischen Erkrankung eines Elternteils, persönlicher Gewalterfahrung der Eltern, Verschuldung oder der chronischen Erkrankung des Kindes) und bei geschwächten familiären Bewältigungsressourcen, bei Vernachlässigung und Misshandlung in Betracht (so die Beispiele des Gesetzgebers zu den sog. "Frühen Hilfen" nach Abs. 4, vgl. BR-Drs. 202/11 S. 24 = BT-Drs. 17/6256 S. 17; auf die Komm. zu § 27 wird ergänzend verwiesen).
Rz. 15
Der staatliche Unterstützungsauftrag beschränkt sich dabei auf erforderlichen Maßnahmen; damit wird die Bindung staatlichen Handels an die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit klargestellt (BR-Drs. 202/11 S. 23 = BT-Drs. 17/6256 S. 17). Erforderlich ist daher eine Unterstützungsmaßnahme, wenn sie geeignet ist, dem Kindeswohl zu dienen und das mildeste Mittel darstellt. Dabei darf die Unterstützungsmaßnahme nicht zu einer Kindeswohlgefährdung führen oder eine bereits eingetretene Kindeswohlgefährdung perpetuieren.
Rz. 16
Obwohl es im Gesetzestext heißt, dass die Eltern unterstützt werden sollen, stehen die aufgeführten Maßnahmen dabei im Grenzbereich zwischen Leistungs- und Eingriffsverwaltung. Das staatliche Wächteramt umfasst nämlich nicht nur allgemeine Maßnahmen zur Verbesserung der elterlichen Erziehungskompetenz sowie spezifische Hilfen für Familien und Kinder in spezifischen Risikolagen, sondern rechtfertigt auch staatliche Maßnahmen zur Abwendung einer (bereits eingetretenen) Gefährdung des Kindeswohls (diese gegensätzliche Funktion des Wächteramts unterstreicht ausdrücklich auch der Gesetzgeber, vgl. BR-Drs. 202/11 S. 23 = BT-Drs. 17/6256 S. 17). Gefahrenabwehr gehört zu den sogenannten anderen Aufgaben i. S. d. § 2 Abs. 3 SGB VIII. Die Gefahrenvorsorge bewegt sich im Vorfeld dieser Aufgabenwahrnehmung und hat ebenso wie die in § 2 Abs. 2 SGB VIII normierten Leistungen Angebotscharakter. Die Nähe zu Maßnahmen der Eingriffsverwaltung bringt durchaus Probleme mit sich. Dass die Unterstützungsmaßnahmen auch dazu dienen sollen, Erkenntnisse über eine Gefährdung des Kindeswohls zu gewinnen, fördert nicht gerade ein Vertrauensverhältnis zwischen den Eltern und den Mitarbeitern der Jugendhilfeträger. Jedoch stellen die Maßnahmen der Gefahrenvorsorge im Vergleich zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr ein milderes Mittel mit geringerer Eingriffsintensität dar und tragen somit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Unterstützende Maßnahmen genießen daher – auch nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen (BR-Drs. 202/11 S. 23 = BT-Drs. 17/6256 S. 17) – Vorrang vor eingreifenden Maßnahmen, die das Elternrecht beschneiden, soweit hierdurch die (weitere) Gefährdung des Kindes oder Jugendlichen wirkungsvoll abgewendet werden kann.
Rz. 17
Dieser Grundsatz findet darüber hinaus eine Ausprägung in der Staffelung der in Abs. 3 Nr. 1 bis 3 normierten Maßnahmen. Nr. 1 sieht die Unterstützung der Eltern in der Erziehungskompetenz vor. Nr. 2 benennt als Ziel die Gewinnung von Erkenntnissen bei auftretenden Risiken. Nr. 3 gibt Maßnahmen auf, um Gefährdungen des Kindeswohls zu vermeiden oder weitere Gefährdungen zu verhindern.
Rz. 18
Die Gefährdung des Kindeswohls nach Nr. 3 ist im Sinne der Rechtsprechung zu § 1666 BGB und § 8a SGB VIII zu verstehen (vgl. die Komm. zu § 8a SGB VIII).
Rz. 19
In der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 202/11 S. 23 = BT-Drs. 17/6256,S. 17) wird darauf hingewiesen, dass wiederholte schwerwiegende Verstöße gegen Strafgesetze (zur einer erkennbar gewordenen Erziehungsbedürftigkeit durch eine konkrete Straftat vgl. Grundsatzurteil des BVerfG v. 16.1.2003, 2 BvR 716/01 Rz. 46) oder Anzeichen einer Betäubungsmittelabhängigkeit Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung und insbesondere auf eine Verwahrlosung sein können. Ferner wird auf das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls hingewiesen.
Rz. 20
Nr. 3 geht allerdings auch noch einen Schritt weiter und be...