2.2.1 Persönliches Gespräch nach Satz 1
Rz. 15
Abs. 2 Satz 1 normiert die Befugnis der nach Landesrecht zuständigen Stellen, den Eltern ein persönliches Gespräch anzubieten.
Rz. 16
Verpflichteter sind die nach Landesrecht für die Information der Eltern nach Abs. 1 zuständigen Stellen, also z. B. der öffentliche Gesundheitsdienst oder das Jugendamt. Dabei kann Landesrecht die Bestimmung der für die Information der (werdenden) Eltern zuständigen Stellen auch den kommunalen Gebietskörperschaften überlassen (BR-Drs. 202/11 S. 26 = BT-Drs. 17/6256 S. 18).
Rz. 17
Inhaltlich beschränkt sich die Aufgabe des Trägers auf das Anbieten eines persönlichen Gesprächs. Soweit der Begriff "Befugnis" verwendet wird, handelt es sich nicht um eine Art Eingriffsbefugnis, da die Verwaltung generell das Recht hat, mit Bürgern in Kontakt zu treten (Götte, JAmt 2012 S. 7, 8).
Rz. 18
Dabei stellt das persönliche Gespräch – auf Wunsch der Eltern auch in Form des nach Satz 2 beschriebenen Willkommensbesuchs – nur die bzw. eine Art und Weise der Information und Vermittlung des Angebots an Beratungs- und Unterstützungsleistungen im örtlichen Einzugsbereich dar, entbindet aber die Länder und Kommunen nicht von ihrer vorgelagerten Pflicht, konzeptionell zu arbeiten und entsprechende Strukturen zu schaffen, welche Information, wann und an wen weitergegeben wird, um das Ziel, Prävention und Kinderschutz vor familiärer Gewalt und Missbrauchserfahrung zu schützen, zu erreichen (BR-Drs. 202/11 S. 26 = BT-Drs. 17/6256 S. 18 zur Pflicht der Kommunen und Länder die Informationsstruktur konzeptionell zu entwickeln, vgl. bereits oben Komm. zu Abschnitt Informationsrecht der Eltern nach Abs. 1 in Rz. 6 ff. – hier am Beispiel des Dormagener Modells).
2.2.2 Willkommensbesuch nach Satz 2
Rz. 19
Auf Wunsch der Eltern kann das persönliche Gespräch in der Wohnung stattfinden; sog. Willkommensbesuch (den Begriff hat der Gesetzgeber in den Materialien selbst geprägt, vgl. BR-Drs. 202/11 S. 26 = BT-Drs. 17/6256 S. 18; hierauf verweist auch Götte, JAmt 2012 S. 7, Fn. 2; vgl. zum Begriff Willkommensbesuch auch bei Baumann/Michel-Biegel/Rücker/Serafin/Wiesner, ZKJ 2022 S. 292; den Begriff "Begrüßungsbesuch" verwendet Kunkel, ZKJ 2022 S. 398).
Rz. 20
Schon aus dem Wortlaut geht hervor, dass ein solches Gespräch nur im Einvernehmen mit den Eltern stattfinden kann und dass daraus keine Befugnis zum Betreten der Wohnung entgegen dem Wunsch der Eltern hergeleitet werden kann. Die Einwilligung der Eltern entspricht insoweit den verfassungsrechtlichen Vorgaben von Art. 13 GG, dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auch dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG (zutreffend Götte, JAmt 2012 S. 7, 9).
Rz. 21
Mit dem Prinzip der Freiwilligkeit erteilt der Gesetzgeber auch den Regelungen über die Information als Kontrollinstrument eine klare Absage (so auch Götte, JAmt 2012 S. 7, 9). Daraus fließt auch, dass aus der Ablehnung eines Angebots auf Beratung und Information – einschließlich der Aufsuchung in der Wohnung – allein keine Rückschlüsse auf eine Kindeswohlgefährdung gezogen werden dürfen.
Rz. 22
Aufgrund des Elternwunsches handelt es sich auch nicht um eine Pflicht des Trägers. Der Familienbesuch stellt daher nur eine Modalität dar, wie der Informationspflicht nach Abs. 1 nachgekommen werden kann; das Gleiche gilt für das persönliche Gespräch selbst, wie es in Satz 1 niedergelegt ist (zutreffend Götte, JAmt 2012 S. 7, 8, die darauf verweist, dass mit der bewusst offenen Formulierung – vgl. in Satz 1 die Formulierung "... befugt ..." – die in den Kommunen und Kreisen gewachsenen Strukturen erhalten bleiben sollen).
Rz. 23
Die Einholung der Einwilligung hat ebenfalls der Träger zu organisieren; dies kann z. B. durch Anschreiben mit Hinweis auf den Willkommensbesuch mit der Bitte um Zustimmung und Antwort geschehen (vgl. Beispiele bei Götte, JAmt 2012 S. 7, 11).
Rz. 24
Der Umfang der Einwilligung ist dabei regelmäßig kraft Auslegung – gemäß §§ 133, 157 BGB analog - begrenzt auf das Betreten der Wohnung; nicht erfasst ist damit auch das Recht des Behördenmitarbeiters auf Betreten und Inspizieren des Kinderzimmers (zutreffend Götte, JAmt 2012 S. 7, 12).
2.2.3 Subsidiäre Zuständigkeit
Rz. 25
Abs. 2 Satz 3 schließlich normiert subsidiär die Befugnis der örtlichen Träger der Jugendhilfe. Die Regelung hat daher dort Auffangfunktion, wo Landesrecht keine Zuständigkeitsregelungen trifft. Gemeint sind die kommunalen Träger, die über ein eigenes Jugendamt verfügen (Landkreis, kreisfreie Stadt oder kreisangehörige Stadt/Gemeinde mit eigenem Jugendamt; vgl. bei: Götte, JAmt 2012 S. 7, 8).