2.1 Strukturelle Zusammenarbeit im Kinderschutz nach Abs. 1
Rz. 5
Abs. 1 verpflichtet die Länder, verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit der Leistungsträger und Institutionen im Kinderschutz aufzubauen, weiterzuentwickeln usw. Wie die Organisationsstruktur der Netzwerke ausgestaltet sein soll und welche Leistungsträger und Institutionen im einzelnen gemeint sind, bleibt jedoch völlig unklar. Entsprechende Aufgaben und Mitwirkungsverpflichtungen, wie sie im SGB VIII vorgegeben sind, sind in § 3 Abs. 1 nicht hinterlegt (Meysen/Rixen/Schönecker, SGb 2019 S. 457, 462 und 463). Die Regelungen zur Abstimmung des Angebotsspektrums und der Angebotsgestaltung sowie der Verfahren im Kinderschutz weisen ebenfalls einen hohen Grad von Unverbindlichkeit auf.
Rz. 6
Sinn und Zweck dieses übergeordneten Programmsatzes ist es, einen bestmöglichen präventiven und intervenierenden Kinderschutz zu etablieren und realisieren (BR-Drs. 202/11 S. 26 = BT-Drs. 17/6256 S. 18). Das Mittel hierzu soll nach dem gesetzgeberischen Willen sein, die Weiterentwicklung und Verstetigung von bundesweit flächendeckend bestehenden Netzwerkstrukturen für einen effektiven Kinderschutz; soweit solche Strukturen noch nicht bestehen, dienen die Regelung deren Aufbau.
Rz. 7
Weitergehendes Ziel ist es daher, möglichst alle Eltern frühzeitig mit allgemeinen Informationen über Erziehung und Entwicklung des Kindes zu erreichen (§ 2) und insbesondere Eltern in spezifischen Risikosituationen Hilfeangebote zu unterbreiten, bevor es zu einer akuten Kindeswohlgefährdung kommt, die den Schutzauftrag des Jugendamtes nach § 8a SGB VIII auslöst (BR-Drs. 202/11 S. 27 = BT-Drs. 17/6256 S. 18).
Rz. 8
Mit den Regeln, Netzwerkstrukturen zu schaffen, wollte der Gesetzgeber ausdrücklich keine Ermächtigung zur Übermittlung von Daten schaffen; hierzu ist auf das allgemeine Datenschutzrecht zurückzugreifen.
2.2 Beteiligte Institutionen am Netzwerk nach Abs. 2
Rz. 8a
Abs. 2 regelt nicht abschließend und quasi beispielhaft, welche Einrichtungen und Dienste in die Netzwerke einbezogen werden sollen ("insbesondere"). Auch z. B. Familiengerichte müssen i. S. d. § 3 Abs. 2 in die Netzwerkstrukturen im Bereich Frühe Hilfen einbezogen werden (Salgo, ZKJ 2017 S. 254, 256; vgl. zu den möglichen Akteuren auch bei Lorenz, ZKJ 2016 S. 44, 47).
Rz. 9
Die Gesetzesbegründung (BR-Drs. 202/11 S. 27 = BT-Drs. 17/6256 S. 18) stellt klar, dass für die genannten Institutionen keine Verpflichtung zur Beteiligung am Netzwerk und keine Pflicht zur Kooperation besteht (auf diesen niedrigen Grad der Mitwirkung weist auch hin: Meysen/Rixen/Schönecker, SGb 2019 S. 457, 462 und 463).
Rz. 10
Mit der Änderung von § 3 Abs. 2 durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) mit Wirkung zum 10.6.2021, mit der nunmehr auf § 125 SGB IX statt auf § 76 Abs. 1 SGB XII Bezug genommen wird, handelt es sich um eine redaktionelle Angleichung aufgrund der mit Wirkung zum 1.1.2018 in Kraft getretenen Änderungen im Vertragsrecht durch das Bundesteilhabegesetz in Kapitel 8 des SGB IX Teil 2 (BR-Drs. 5/21 S. 122 = BT-Drs. 19/26107 S. 120).
Rz. 11
Mit den durch das KJSG nunmehr ausdrücklich genannten Mehrgenerationenhäuser ist der Kreis der am Netzwerk im Kinderschutz zu beteiligenden Institutionen erweitert worden (BR-Drs. 5/21 S. 122 = BT-Drs. 19/26107 S. 120).
Rz. 12
Bei der Datenverarbeitung im Rahmen der Netzwerkarbeit ist eine gesetzliche Regelung zumindest hinsichtlich der Rahmenbedingungen erforderlich (BR-Drs. 202/11 S. 27 = BT-Drs. 17/6256 S. 18). Daten dürfen im Rahmen der Netzwerkarbeit daher nur dann erhoben, gespeichert oder übermittelt werden, wenn eine gesonderte gesetzliche Regelung dies erlaubt.
2.3 Grundsätze von Netzwerk und Zusammenarbeit nach Abs. 3
2.3.1 Organisationsebene örtlicher Träger der Jugendhilfe nach Satz 1
Rz. 13
Abs. 3 Satz 1 trifft eine subsidiäre Regelung für den Fall, dass keine vorrangige landesrechtliche Regelung besteht. Dann sollen die örtlichen Träger die (wie auch immer geartete) verbindliche Zusammenarbeit im Kinderschutz organisieren.
Rz. 14
Sinn der Regelung ist es, eine möglichst enge und reibungsfreie Zusammenarbeit mit dem Jugendamt sicherzustellen.
2.3.2 Vereinbarungspflicht nach Satz 2
Rz. 15
Die Grundsätze für eine verbindliche Zusammenarbeit sind nach Satz 2 i. d. R. verbindlich in einer Vereinbarung festlegen; diese ist schriftlich zu fixieren.
2.3.3 Vermeidung von Parallelstrukturen nach Satz 3
Rz. 16
Parallelstrukturen sollen vermieden werden. Satz 3 räumt der Verfestigung und Verknüpfung bestehender Strukturen den absoluten Vorrang ein (BR-Drs. 202/11 S. 27 = BT-Drs. 17/6256 S. 18).
2.4 Einsatz von Familienhebammen nach Abs. 4
Rz. 17
Abs. 4 regelt den Einsatz von sog. Familienhebammen (Satz 1), eine befristete Bundesinitiative mit finanzieller Unterstützung durch das Bundesministerium für Familie (Satz 2), die anschließende Gründung eines Fonds durch den Bund (Satz 3) und die Regelung zur Ausgestaltung dieses Fonds in Verwaltungsvereinbarungen (Satz 4).
2.4.1 Einsatz von Familienhebammen nach Satz 1
Rz. 18
Abs. 4 Abs. 1 regelt den Einsatz von Familienhebammen. Dies sind staatlich examinierte Hebammen mit landesgesetzlich geregelter Zusatzqualifikation. Mit ihrer Schlüsselrolle und ihrer besonderen Qualifikation kommt den Familienhebammen eine Lotsenfunktion im Rahmen von regionalen Netzwerken Früher Hilfen zu (hierauf verwies auch der Gesetzgeber in BR-Drs. 202/...