Rz. 20

Satz 1 bestimmt auch den Zeitpunkt der Mitteilungspflicht und ordnet an, dass die Meldung unverzüglich zu erfolgen hat. Unverzüglichkeit ist hier – wie auch anderswo im sozialrechtlichen Kontext – i. S. d. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB analog zu verstehen. Daher muss die Strafverfolgungsbehörde und auch das erkennende Gericht die Mitteilung ohne schuldhaftes Zögern machen. Aufgrund des besonderen Schutzgutes Kindeswohl, bedeutet insoweit ohne schuldhaftes Zögern praktisch binnen Tagesfrist.

 

Rz. 21

Ausgelöst wird diese Frist erst mit Kenntnisnahme der das Kindeswohl gefährdende Umstände.

 

Rz. 22

Besondere Bedeutung erlangt dabei Satz 3, der eine entsprechende Anwendung von § 4 Abs. 2 anordnet und Staatsanwalt und Richter den Anspruch einräumt, zur Ermittlung der Kindeswohlgefährdung bzw. der gewichtigen Anhaltspunkte für eine solche, eine Fachkraft zwecks Beratung einzuschalten. Zwar kann erst durch eine Beratung offenkundig werden, dass gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen, dann löst erst die Beratung die Mitteilungspflicht aus, mit der Folge, dass die Mitteilung erst unverzüglich nach Beratung durch die Fachkraft erfolgen muss. Das entpflichtet den Staatsanwalt oder Richter aber nicht vor einer selbständigen einzelfallbezogenen Prüfung einer Gefährdungslage. Der Gesetzgeber sah für die Zielgruppe der Mitteilungspflichtigen bei der Einschätzung einer Gefährdung ausdrücklich einen Entscheidungsspielraum vor (hierauf hatte der Gesetzgeber ausdrücklich hingewiesen, vgl. BR-Drs. 5/21 (Beschluss), Nr. 56, S. 61). Die Gerichte oder Strafverfolgungsbehörden dürfen sich daher nicht auf die formale Position eines Anspruchs auf Beratung durch die Fachkraft zurückziehen, um regelmäßig erst nach Inanspruchnahme der Beratung Mitteilung zu machen. Dort, wo bereits die Umstände des Einzelfalls – also insbesondere in den Fällen der Regelvermutung nach Abs. 2 – eine Kindeswohlgefährdung nahelegen, darf sich der Staatsanwalt oder Richter nicht erst auf die Beratung durch die Fachkraft berufen, sondern hat unverzüglich auch vor der Beratung Mitteilung zu machen.

 

Rz. 23

Aus dem Begriff der Unverzüglichkeit einerseits und dem Entscheidungsspielraum des Richters oder des Staatsanwaltes andererseits fließt auch eine Beschleunigungsmaxime. Hat der Staatsanwalt oder der Richter Zweifel an der Kindeswohlgefährdung hat er seinerseits unverzüglich die Fachkraft um Beratung zu ersuchen, um den Zeitraum etwaiger weiterer Kindeswohlgefährdung so kurz wie möglich zu halten.

 

Rz. 24

In den Fällen der Regelvermutung nach Abs. 2 trifft die Mitteilungspflicht daher zeitlich i. d. R. mit dem Eröffnungsbeschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens i. S.d § 203 StPO zusammen.

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