Rz. 2
Der Gesetzgeber beabsichtigt mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444, mit Wirkung zum 10.6.2021 in Kraft getreten) die Zusammenführung der Zuständigkeiten der Leistung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung unter dem Anwendungsbereich des SGB VIII, sog. "Inklusive Lösung" oder auch "Große Lösung" (BR-Drs. 5/21 S. 120 = BT-Drs. 19/26107 S. 119; vgl. auch: BT-Drs. 19/28870 S. 98; BR-Drs. 5/21 Beschluss Nr. 50, S. 53; vgl. auch Lange, ZKJ 2023, 337). Ziel ist eine Gesamtzuständigkeit für alle junge Menschen, die von geistiger und/oder körperlicher Behinderung betroffen sind (Lange, a. a. O.). Für Personen unter 27 Jahren (§ 7 Abs. 1 Nr. 3) soll die Eingliederungshilfe künftig mit Wirkung ab 2028 unter dem Dach des SGB VIII zusammengeführt werden. Die Differenzierung zwischen Jugendlichen mit seelischer Behinderung, die dem Anwendungsbereich des SGB VIII i. S. eines Vorrangs zugewiesen sind, und denjenigen körperlich und geistig behinderten jungen Menschen, die vorrangig dem SGB IX zuzuordnen sind, soll dann entfallen. Dafür ist zunächst durch Art. 10 Abs. 3 des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) ein Bundesgesetz (Umsetzungsgesetz) auf der Grundlage einer prospektiven Gesetzesevaluation, das bis 1.1.2027 zu verkünden ist, vorgesehen. Hierfür hat der Gesetzgeber einen Zeitraum von 7 Jahren vorgesehen (vgl. hierzu Art. 10 Abs. 3 – Inkrafttreten, Außerkrafttreten – des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG v. 3.6.2021, BGBl. I S. 1444). Der Zeitraum gliedert sich in 2 Phasen i. S. eines Stufenmodells (zum Stufenmodell vgl. auch (BR-Drs. 5/21 S. 44 = BT-Drs. 19/26107 S. 51); die Zusammenführung der Zuständigkeiten vollzieht sich damit in 3 Schritten (zu dem 3-Schritt-Modell vgl. auch BT-Drs. 19/28870 S. 98 f.). Die erste Stufe sieht umfangreiche Änderungen zur Gestaltung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe vor, die zweite Stufe sieht die Einführung eines "Verfahrenslotsen" beim Jugendamt gemäß § 10b zum 1.1.2024 vor (BR-Drs. 5/21 S. 5, 45, 74 = BT-Drs. 19/26107 S. 5, 51, 79). Die dritte Stufe sieht die Übernahme der vorrangigen Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen der Eingliederungshilfe auch an junge Menschen mit (drohenden) körperlichen oder geistigen Behinderungen im Jahr 2028 vor (Art. 10 Abs. 3 KJSG) (vgl. BR-Drs. 5/21 S. 120 f. = BT-Drs. 19/26107 S. 118 f.). Maßgeblich hierbei ist auch die Neuregelung von § 10 Abs. 4 Satz 3. § 10 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 regeln den Vorrang der Leistung nach dem SGB VIII gegenüber den Leistungen nach dem SGB IX auch für junge Menschen mit seelischer Behinderung oder einer drohenden seelischen Behinderung. Dieser Personenkreis erhält vorrangig Leistung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährt. Künftig – ab 1.1.2028 (Art. 10 Abs. 3 KJSG) – regelt dann nach § 10 Abs. 4 Satz 3 (künftige Fassung) ein Bundesgesetz das Nähere zum Personenkreis, Art und Umfang der Leistung, Kostenbeteiligung und Verfahren; und zwar auf Grundlage einer prospektiven Gesetzesevaluation. Künftig soll daher durch Art. 10 Abs. 4 KJSG § 10 Abs. 4 mit Wirkung zum 1.1.2028 neu gefasst werden, in dem bislang das Konkurrenzverhältnis zu Leistungen des SGB IX und des SGB XII geregelt ist; Abs. 4 betrifft dann nur noch das SGB IX. Außerdem soll ein neuer § 10 Abs. 5 (betreffend das Verhältnis zum SGB XII) eingefügt werden (vgl. insgesamt bei Eicher, SGb 2022, 592).
Rz. 3
Um das Verfahren entsprechend sicherzustellen, bedarf es der Übergangsvorschrift des § 108 in der aktuell geltenden Fassung ab 1.1.2023.
Rz. 4
Sinn der angestrebten inklusive Lösung ist es, die Schwierigkeiten bei der Zuständigkeitsbestimmung von Leistungen der Eingliederungshilfe endgültig zu überwinden; die inklusive Lösung bietet weiter den Vorteil, dass Kinder und Jugendliche ganzheitlich individuell gefördert werden können, sodass sowohl behinderungsbedingte als auch erzieherische Bedarfe berücksichtigt und aus einem System gedeckt werden können ((BR-Drs. 5/21 S. 120 = BT-Drs. 19/26107 S. 47). Das KJSG stellt daher verbindliche Weichen für die Zusammenführung der Zuständigkeiten der Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe im SGB VIII.