Rz. 34

Als Rechtsfolge einer zulässigen und rechtmäßigen Selbstbeschaffung sieht Satz 1 die Übernahme der erforderlichen Aufwendungen durch den Träger der Jugendhilfe vor. Sofern die Voraussetzungen i. S. v. § 36a Abs. 3 vorliegen, ist der Träger der Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet. Anspruchsberechtigter sowohl hinsichtlich Leistungen gemäß § 35a als auch hinsichtlich eines daran anknüpfenden Erstattungsanspruchs wegen Selbstbeschaffung nach § 36a Abs. 3 ist der jeweilige Hilfeempfänger der einschlägigen Leistungsnorm (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 25.7.2018, 12 A 2366/17). Der Anspruch steht daher bei Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff.) den Personensorgeberechtigten, bei Eingliederungshilfe gemäß § 35a den Kindern bzw. Jugendlichen und im Falle von Hilfe gemäß § 41 dem jungen Volljährigen zu (zutreffend v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 36a Rz. 64).

 

Rz. 35

Dabei ist der Leistungsberechtigte zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet; die entstandenen Kosten dürfen daher nicht unverhältnismäßig hoch sein (Wiesner, § 36a SGB VIII, Rz. 55). Insoweit ist zwar nicht ausdrücklich Bezug genommen auf den Mehrkostenvorbehalt i. S. v. § 5 Abs. 2 und § 36 Abs. 1 Satz 4, der daher nicht unmittelbar zur Anwendung kommt (vgl. Wiesner, § 36 a SGB VIII, Rz. 54; Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 06/2022, § 36a SGB VIII, Rz. 47, die den Anspruch auf Aufwendungsersatz ausdrücklich nicht am Maßstab dieser Vorschrift prüfen wollen; zur Problematik der unmittelbaren Anwendung des Mehrkostenvorbehalts i. S.v. § 5 Abs. 2 und § 36 Abs. 1 Satz 4 vgl. mit zustimmendem Ergebnis OVG Berlin, Urteil v. 21.11.2002, 6 B 7.02; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 12.10.1998, 2 S 1988/98; ablehnend im Ergebnis OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 30.1.2004, 12 B 2392/03); wohl aber sind die im Zusammenhang mit dieser Vorschrift anzustellenden Überlegungen auch bei der Frage des wirtschaftlichen Handelns des Leistungsempfängers heranzuziehen (vgl. mit weiteren Argumenten OVG Berlin, Urteil v. 21.11.2002, 6 B 7.02; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 12.10.1998, 2 S 1988/98; zum Mehrkostenvorbehalt vgl. die Komm. zu § 36).

 

Rz. 36

Hingegen ist der Leistungsempfänger nicht auf die Erbringung von Leistungen durch Leistungserbringer beschränkt, mit denen eine Vereinbarung nach § 78b geschlossen worden ist (Wiesner, § 36 a SGB VIII, Rz. 54); dies widerspricht der Systematik der Selbstbeschaffung, da das Recht auf Selbstbeschaffung im Systemversagen aufseiten des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe fußt.

 

Rz. 37

Der Anspruch richtet sich regelmäßig auf Kostenerstattung, da der Leistungsberechtigte i. d. R. den auf Dienstleistung gerichteten Primäranspruch ("Sachleistungsprinzip") selbst erfüllt hat und folglich regelmäßig Kostenerstattung begehrt. Der Sekundäranspruch auf Übernahme von Aufwendungen im Fall der zulässigen Selbstbeschaffung eines Betreuungsplatzes in Kindertagespflege in analoger Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 gewährt nicht mehr als der Primäranspruch und ist daher in den Fällen, in denen kein Recht auf kostenfreie Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes besteht, auf den Mehraufwand beschränkt, der gerade durch die Selbstbeschaffung entstanden ist (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 25.1.2021, 7 A 10771/20 Rz. 36). Dabei ist in Anwendung von § 670 BGB analog der gesamte erforderliche Betrag der Aufwendungen dem Leistungsberechtigten zu erstatten (instruktiv VG Aachen, Urteil v. 30.11.2015, 2 K 1947/13 Rz. 44 m. w. N. in Rz. 45; VG Aachen, Urteil v. 30.11.2015, 2 K 2477/14 Rz. 47 m. w. N. in Rz. 45; vgl. auch Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 06/2022, § 36a SGB VIII, Rz. 43, 46). Es erfolgt dabei eine Beschränkung der Kostenerstattung. Der Umfang der bei selbstbeschafften Hilfen nach § 36a Abs. 3 erforderlichen Aufwendungen orientiert sich nämlich an den Kosten, die bei rechtzeitiger Gewährung der Hilfe vom Jugendhilfeträger nach den zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu tragen gewesen wären (BVerwG, Urteil v. 26.10.2017, 5 C 19/16; mit Anm. von Fleuß, jurisPR-BVerwG 5/2018 Anm. 2, Schwede, NZFam 2018 S. 193, Pastor, jM 2018 S. 292 und Salaw-Hanslmaier/Böh, FamRB 2018 S. 194; vgl. hierzu auch ZKJ 2018 S. 155; BVerwG, Urteil v. 1.3.2012, 5 C 12/11, LS 2; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 25.4.2012, 12 A 659/11, wonach die Kostenerstattung für den Besuch einer Privatschule auf das Maß beschränkt ist, was die Eltern nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften). Die Mehrkosten für die Selbstbeschaffung eines Betreuungsplatzes sind nach § 36a Abs. 3 Satz 1 analog ausnahmsweise nur dann erstattungsfähig, wenn der selbst beschaffte, öffentlich geförderte Platz in einer Tageseinrichtung außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe liegt (VG Stuttgart, Urteil v. 23.3.2022, 7 K 4587/21).

 

Rz. 38

Abzusetzen sind im Wege ...

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