Rz. 14
Lebt das Kind oder der Jugendliche bei einer Pflegeperson außerhalb des Bereichs des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, so sind ortsnahe Beratung und Unterstützung sicherzustellen. Durch Satz 3 soll das Jugendamt die erforderliche Beratung und Unterstützung auch dann ortsnah sicherstellen, wenn sich das Kind weit entfernt vom Wohnort der Eltern bei der Pflegeperson aufhält.
Rz. 15
Der erweiterte Anspruch der Pflegeperson auf ortsnahe Beratung und Unterstützung fand im Gesetzesentwurf zum Bundeskinderschutzgesetz ursprünglich seine Begründung in dem Entwurf zur Neuregelung der Sonderzuständigkeit nach § 86 Abs. 6. In Abweichung der allgemeinen örtlichen Zuständigkeit des Leistungsträgers nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern nach § 86 Abs. 1 sah § 86 Abs. 6 zunächst einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit an den Ort der Pflegestelle und damit eine Sonderzuständigkeit für den Fall vor, dass das Kind oder der Jugendliche 2 Jahre bei einer Pflegeperson lebt und sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten ist. Mit Hinweis auf die mit dem Zuständigkeitswechsel gleichzeitig verbundenen strukturellen Diskontinuitäten (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drs. 17/6256 S. 28) beabsichtigte der Gesetzgeber eine Neuregelung und wollte diesen Zuständigkeitswechsel für Neufälle ab dem 1.1.2012 abschaffen. Mit der Streichung der Sonderzuständigkeit am Ort der Pflegestelle für Neufälle (beabsichtigte Neufassung von § 86 Abs. 6) wäre damit künftig der gewöhnliche Aufenthalt der Eltern auch bei Pflegeverhältnissen primärer Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit geblieben. Diesen Umstand führte der Gesetzgeber als Begründung für die Neufassung des § 37 Abs. 2 Satz 2 a. F. und dem damit einhergehenden Anspruch der Pflegeperson auf ortsnahe Beratung und Unterstützung auf, weil dies im Einzelfall dazu hätte führen können, dass die Pflegeperson weit entfernt vom zuständigen Jugendamt wohnt und ihr Anspruch auf Beratung und Unterstützung nach Abs. 2 in diesem Fall nicht angemessen von Fachkräften des örtlich zuständigen Jugendamts hätte erfüllt werden können (so die Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/6256 S. 22). Die beabsichtigte Änderung in der örtlichen Zuständigkeit durch Streichung von § 86 Abs. 6 für Neufälle ist nicht in Gesetzeskraft erwachsen. Die alte Zuständigkeitsregelung des § 86 Abs. 6 ist unverändert auch in die Fassung v. 11.9.2012, gültig ab 1.1.2012, übernommen worden. Trotzdem hat der erweiterte Anspruch der Pflegeperson auf ortsnahe Beratung und Unterstützung auch in dieser Konstellation seine Berechtigung, weil unter Berücksichtigung des § 86 Abs. 6 die allgemeine örtliche Zuständigkeit des Leistungsträgers nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern nach § 86 Abs. 1 zumindest für die ersten beiden Jahre des Aufenthalts des Kindes oder des Jugendlichen im Haushalt der Pflegeperson erhalten bleibt und gerade in diesen ersten beiden Jahren bei regionalem Auseinanderfallen der gewöhnlichen Aufenthalte der Eltern und der Pflegeperson der Beratungs- und Unterstützungsanspruch der Pflegeperson erschwert sein kann.
Rz. 16
Bei dem Anspruch der Pflegeperson auf ortsnahe Beratung und Unterstützung handelt es sich um eine gebundene Entscheidung (zum Anspruchscharakter der Norm noch zu § 37 Abs. 2 a. F. vgl. auch BT-Drs. 17/6256 S. 22). Der Anspruch baut auf Satz 1 auf und stellt eine Annexleistung zum allgemeinen Beratungsanspruch dar. Folgende Anspruchsvoraussetzungen für den Annexanspruch müssen kumulativ daher vorliegen:
- Auseinanderfallen der gewöhnlichen Aufenthalte der Eltern und der Pflegeperson bezogen auf den jeweiligen Zuständigkeitsbereich des Leistungsträgers,
- Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen nach Satz 1,
- es darf noch nicht zu einem Zuständigkeitswechsel nach § 86 Abs. 6 gekommen sein (negative Anspruchsvoraussetzung).
Aufgrund der Sondervorschrift des § 86 Abs. 6 greift der Anspruch gegenwärtig regelmäßig nur in den ersten beiden Jahren, in denen das Kind oder der Jugendliche bei der Pflegeperson lebt; über diesen Zeitraum hinaus auch dann, wenn perspektivisch ein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer nicht oder noch nicht zu erwarten ist. Der Anspruch kann daher befristet sein; eine Befristung auf 2 Jahre mit Überprüfungsvorbehalt bietet sich regelmäßig an.
Rz. 17
Ein Auseinanderfallen der gewöhnlichen Aufenthalte kann dann erfüllt sein, wenn:
- ein Umzug der Eltern oder des maßgeblichen Elternteils ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit bedingt oder
- ein Umzug der Pflegepersonen vorliegt oder
- die Vermittlung direkt in eine weit entfernt gelegene Pflegestelle erfolgt.
Liegen diese Voraussetzungen nach Satz 3 i. V. m. Satz 1 vor, hat sich das zuständige Jugendamt im Wege der Amtshilfe der Unterstützung des Jugendamtes vor Ort oder eines freien Trägers zu bedienen (vgl. zu dieser Verpflichtung auch BT-Drs. 17/6256 S. 22, vgl. zum Beratungs- und Unterstützungsanspruch noch nach § 37 Abs. 2 Satz 2 a. F. auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 22.5.2012, J 4.150 LS, JAmt 2012...