Rz. 30
Abs. 3 regelt zentrale Grundsätze, wie sie teilweise auch an anderer Stelle im SGB VIII bereits niedergelegt sind. Die Regelungsgegenstände sind:
- Beteiligung bei Auswahl der Einrichtung oder der Pflegeperson nach Satz 1,
- Wunsch- und Wahlrecht nach Satz 2,
- Wunsch einer in § 78a genannten Leistung nach Satz 3,
- Beteiligung des örtlich zuständigen Trägers nach Satz 4.
2.3.1 Beteiligung bei Auswahl der Einrichtung oder Pflegeperson nach Satz 1
Rz. 31
Bei der Auswahl der Einrichtung oder der Pflegeperson – also bei den Hilfen außerhalb der Familie nach §§ 33, 34, 35 und 35a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 und bei Hilfen für junge Volljährigen i. V. m. § 41 – sind der Personensorgeberechtigte und das Kind (bzw. der Volljährige) an der Auswahl der Einrichtung oder der Pflegestelle zu beteiligen (vgl. auch: DIJuF-Rechtsgutachten v. 1.7.2022, SN_2022_0637 Ho, JAmt 2022 S. 588). Satz 1 ist eine Vorbedingung zur Konkretisierung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 5 und entspricht dem § 36 Abs. 1 Satz 3 in seiner bis zum 9.6.2021 gültigen Fassung (vgl. BR-Drs. 5/21 S. 89 = BT-Drs. 19/26107 S. 91).
Rz. 32
Es besteht daher ein Beteiligungsrecht im Sinne eines Anspruchs und begründet ein subjektives Recht.
Rz. 33
Der anspruchsberechtigte Personenkreis ist abschließend und beschränkt sich auf die Personensorgeberechtigte nach § 7 Abs. 1 Nr. 5, auf das Kind nach § 7 Abs. 1 Nr. 1, auf den Jugendlichen nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 oder bei Hilfen nach § 41 auf den jungen Volljährigen nach § 7 Abs. 1 Nr. 3. Ausdrücklich nicht erfasst ist daher der junge Mensch, also derjenige, der zwar 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist, § 7 Abs. 1 Nr. 4.
2.3.2 Wunsch- und Wahlrecht nach Satz 2
Rz. 34
Satz 2 wiederholt den Gesetzestext aus der Grundregel des § 5 Abs. 2 Satz 1, danach soll der Wahl und den Wünschen entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist (auf die Komm. zu § 5 wird insoweit verwiesen). Satz 2 ist daher eine entsprechende Konkretisierung des Wunsch- und Wahlrechts und entspricht dem § 36 Abs. 1 Satz 4 in seiner bis zum 9.6.2021 gültigen Fassung (vgl. BR-Drs. 5/21 S. 89 = BT-Drs. 19/26107 S. 91).
2.3.2.1 Wunsch- und Wahlrecht
Rz. 35
Das Wunsch- und Wahlrecht ergänzt das Beteiligungsrecht nach Satz 1 und steht insoweit gleichberechtigt neben diesem.
Rz. 35a
Gemäß § 37c Abs. 3 Satz 2 steht den Leistungsberechtigten das Recht zu, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Das Wunsch- und Wahlrecht steht daher den materiell Anspruchsberechtigten zu. Bei einer stationären Leistungserbringung nach § 35a steht daher das Recht dem Kind oder Jugendlichen zu. Bei einer Hilfe zur Erziehung nach § 27 steht das Recht hingegen de lege lata den Personensorgeberechtigten zu (Kepert/Fegert, ZKJ 2023 S. 49).
Rz. 36
Das hier geregelte Wunsch- und Wahlrecht ist eine Konkretisierung des in § 5 verankerten allgemeinen Wunsch- und Wahlrechts. Bei dem Wunsch- und Wahlrecht nach Satz 2 handelt es sich um eine Spezialvorschrift, die § 5 insoweit als lex specialis vorgeht; was praktische Bedeutung dafür hat, dass hier das Wahlrecht auch dem Kind und nicht allein dem Sorgeberechtigten zusteht. Satz 2 greift allerdings auch Teile dieser allgemeinen Vorschrift auf; so wiederholt Satz 2 insoweit § 5 Abs. 2 Satz 1.
Rz. 37
§ 5 ergänzt daher bei Lücken das hier geregelte spezielle Wunsch- und Wahlrecht. § 5 Abs. 1 erweitert daher auch das hier allgemein verankerte Wunsch- und Wahlrecht und lässt auch die Wahl privat-gewerblicher Einrichtung grundsätzlich zu (VG Karlsruhe, Urteil v. 14.2.2006, 8 K 1141/05 mit weiteren Argumenten).
Rz. 38
Bei Ausübung seines Wunsch- und Wahlrechts i. S. d. Satz 2 dominiert der Leistungsempfänger (Satz 4: der Wahl ist zu entsprechen; weitergehend zum Wunsch- und Wahlrecht vgl. Wiesner, noch zu § 36 SGB VIII, Rz. 43). Es umfasst auch die Möglichkeit, selbst Einrichtungen vorzuschlagen; es besteht daher ein echtes Vorschlagsrecht. Die Grundentscheidung über die Gewährung einer Hilfe determiniert er, da sie von seiner Entscheidung über die Inanspruchnahme der Hilfe abhängig ist. Hierbei ist die Hilfegrundentscheidung aber nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen; namentlich die Voraussetzungen der zugrunde liegenden Hilfenorm (§ 37, § 35a, § 41 – vgl. hier zu den einschlägigen Voraussetzungen) ersetzt das Wahlrecht nicht. Die Geeignetheit des gewählten Dienstes stellt dabei die unabdingbare Schranke des Wunsch- und Wahlrechts dar (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 8.5.2018, 12 A 1434/16 Rz. 70).
Rz. 39
Inhaltlich erfasst das Wahlrecht das Recht auf Auswahl zwischen vorhandenen, im Hinblick auf das Wohl des jungen Menschen geeigneten Einrichtungen und Pflegestellen. Das Wahlrecht setzt daher voraus, dass eine geeignete und erforderliche Leistung überhaupt von verschiedenen Trägern bzw. von verschiedenen Einrichtungen oder Bediensteten eines Trägers angeboten wird. Es besteht also i. d. R. nicht die Möglichkeit der Wahl zwischen verschiedenen Leistungsarten oder der Wahl eines Trägers, der zwar die Leistungsart, diese aber nicht in der geeigneten Form anbietet (VG...