Rz. 7
Gemäß Abs. 1 Satz 1 soll das Alter hilfsweise durch qualifizierte Inaugenscheinnahme eingeschätzt werden. Die Rechtsprechung hat inzwischen Anforderungen an die Durchführung der qualifizierten Inaugenscheinnahme formuliert. Sie ist durchzuführen, wenn der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen kann und seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei ist. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie – unter Hinzuziehung eines Dolmetschers – in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (Bay. VGH, Beschluss v. 5.4.2017, 12 BV 17/185 m. w. N.). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Zu berücksichtigen sind auch Anhaltspunkte, die für eine schwere psychische Belastung oder Traumatisierung sprechen. Hieraus können Zweifel an der Minderjährigkeit oder Volljährigkeit resultieren, die Veranlassung zu einer ärztlichen Begutachtung geben (OVG Bremen, Beschluss v. 5.1.2018, 1 B 242/17). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens 2 beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (Bay. VGH, a. a. O., und OVG Lüneburg, Beschluss v. 22.3.2017, 4 ME 83/17, Rz. 5, mit Hinweisen auf OVG Bremen, Beschluss v. 21.9.2016, 1 B 164/16, Rz. 14, und v. 22.2.2016, 1 B 303/15, Rz. 19, sowie auf BT-Drs. 18/6392 S. 20 und die dort erwähnten "Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen" der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (OVG Bremen, Beschluss v. 22.2.2016, 1 B 303/15 Rz 19; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 29.8.2017, OVG 6 S 27.17, OVG 6 M 61.17, Rz. 4).
Rz. 8
Gemäß Abs. 1 Satz i. V. m. § 8 Abs. 1 sind Kinder und Jugendliche entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen. Sie ist vom Jugendamt über die Vornahme der Altersfeststellung, die Methode der Altersfeststellung sowie über die möglichen Folgen der Altersfeststellung und die Folgen einer Verweigerung der Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung umfassend zu informieren und über ihre Rechte aufzuklären. Es ist sicherzustellen, dass diese Informationen der ausländischen Person in einer ihr verständlichen Sprache mitgeteilt werden (BT-Drs. 18/6392 S. 20). Gemäß Abs. 1 Satz i. V. m. § 42 Abs. 2 Satz 2 ist dem Kind oder dem Jugendlichen unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.