Rz. 5
Seit dem 2. SGB XI-ÄndG v. 29.5.1998 (BGBl. I S. 1188), mit dem das neue Vereinbarungsrecht der §§ 78a bis g eingeführt wurde, setzt sich das Finanzierungsrecht nunmehr aus 3 Instrumenten zusammen: der überkommenen Förderung nach § 74, den Vereinbarungen über die Höhe der Kosten einer Inanspruchnahme nach § 77 und den Vereinbarungen über Entgelte nach §§ 78a ff. Dabei stehen die beiden Formen der vertraglichen Finanzierung nach § 77 einerseits und §§ 78 ff. andererseits in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Im speziellen Anwendungsbereich der Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung nach dem 3. Abschnitt sind Vereinbarungen nach § 77 ausgeschlossen.
Rz. 6
Demgegenüber schließen sich die Finanzierung durch Zuwendung nach § 74 und im Wege der Kostenübernahme nach § 77 nicht aus. Beide haben unterschiedliche Funktionen. Während die Vereinbarungen nach § 77 spezifische Entgelte regeln, die vom Umfang der individuellen Inanspruchnahme durch die Leistungsberechtigten abhängen, bezieht sich die Förderung gemäß § 74 pauschal auf Maßnahmen, mit denen ein Angebot von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen geschaffen wird, um die anschließende Gewährung von Leistungen zu ermöglichen (Abs. 2) oder andere Maßnahmen. Von daher folgerichtig fehlt insoweit der Bezug auf die individuelle Inanspruchnahme. Zum Verhältnis der Förderung nach § 74 und der Vereinbarung nach § 74 im Übrigen vgl. die Komm. zu § 77 Rz. 27.
Rz. 7
Dementsprechend unterschiedlich sind die Instrumente, mit denen die Förderung nach § 74 und die Vereinbarungen nach § 77 oder §§ 78a ff. umgesetzt werden (vgl. VG Hamburg, JAmt 2004 S. 595 ff. zur Jugendhilfe-Sozialraumpeditierung in Hamburg und der Frage, welche Finanzierungsform gegeben ist). Kosten- und Entgeltvereinbarungen sind öffentlich-rechtliche Verträge i. S. d. § 53 SGB X. Rechtsfehler sowie die Rückabwicklung von Leistungen richten sich daher nach §§ 53 ff. SGB X. Demgegenüber sind Förderungsentscheidungen i. d. R. Verwaltungsakte (Zuwendungsbescheide). Für sie gelten die Vorschriften über Widerruf und Rücknahme sowie die Fehlerfolgen des VwVfG bzw. des SGB X (§§ 39 ff.).
Rz. 8
Klärungsbedürftig ist das Verhältnis zwischen den Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklungen nach §§ 78a bis g und der Förderung gemäß § 74. Zu Unrecht wird verbreitet angenommen, die Förderung gemäß § 74 sei im Anwendungsbereich von Vereinbarungen nach §§ 78a bis g ausgeschlossen. Dass dies nicht zutrifft, zeigt sich bereits an der Verpflichtung zur Anrechnung von Förderungen aus öffentlichen Mitteln, die in § 78c Abs. 2 Satz 4 ausdrücklich vorgesehen ist. Die Annahme eines Verhältnisses der Alternativität überzeugt auch deshalb nicht, weil mit dem 3. Abschnitt die frühere Deckelung der Leistungsentgelte bei der Kostenübernahme nach § 77 abgelöst werden sollte (vgl. dazu Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 78a Rz. 2, Stand: 2006), und nicht die institutionelle Förderung.
Rz. 8a
Die Aufrechterhaltung der einrichtungsbezogenen Förderung kann neben den Leistungsverträgen für bestimmte Formen der Jugendhilfe nach §§ 78 ff. sogar geboten sein, um zu verhindern, dass eine einseitige Verlagerung des Auslastungsrisikos auf die Einrichtungsträger die Vorhaltung eines hinreichenden Leistungsangebotes gefährdet und damit der Gesamt- und Planungsverantwortung der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs. 1 und 2 nicht entspricht. (a. A. Kern, in: Schellhorn, SGB VIII, § 78a Rz. 2, und Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 78a Rz. 14, Stand: 2006, ohne Begründung).
Rz. 8b
Richtigerweise muss daher davon ausgegangen werden, dass sich auch insoweit die unterschiedlichen Finanzierungsformen nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen. Richtig ist lediglich, dass der Vorrang des speziellen Systems der §§ 78a ff. Zuwendungsansprüche begrenzt und das Förderermessen gestaltet. Umgekehrt müssen die Entgeltvereinbarungen nach § 77 ebenso wie nach §§ 78a ff. auch eine bereits gewährte institutionelle Investitionsförderung berücksichtigen.
Rz. 8c
Die Förderung der Jugendverbände gehört mit in den Anwendungsbereich des § 74, obwohl sie speziell in § 12 geregelt wird. Gleiches gilt für die Förderung der Jugendhilfeverbände, wie sich aus § 75 ergibt.