2.4.1.1 Überblick
Rz. 40
Rechtsfolge der Erfüllung der Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 und 2 ist die Förderverpflichtung. Die regelmäßige Förderungsverpflichtung gemäß § 74 Abs. 1 besteht allerdings nur dem Grunde nach (so auch BVerwG, Urteil v. 17.7.2009, 5 C 25.08; OVG Lüneburg, Urteil v. 25.3.1998, 4 L 3057/96; VG München, Urteil v. 12.1.2005, M 18 K 04.2789 Rz. 46; Wabnitz, ZKJ 2013 S. 199, 202; ders., ZKJ 2011 S. 282, 283). Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe darf hingegen über die Art und Höhe der Förderung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (Abs. 3 Satz 1). Dies gilt nach Abs. 1 Satz 1 zunächst für die einzelne Förderungsentscheidung, zum Teil aber auch darüber hinaus.
Rz. 41
Nach § 74 Abs. 3 Satz 2 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe darüber hinaus auch nach pflichtgemäßem Ermessen über die Auswahl zwischen mehreren Antragstellern zu entscheiden, wenn diese jeweils die Förderungsvoraussetzungen erfüllen und die von ihnen vorgesehenen Maßnahmen gleich geeignet sind, zur Befriedigung des Bedarfs jedoch nur eine Maßnahme notwendig ist. Eine weitergehende als die zur Bedarfsdeckung notwendige Förderung von Einrichtungen kann nicht verlangt werden (BVerwG, Urteil v. 25.4.2002, 5 C 18.01; Fridrich/Lieber, VBlBW S. 81, 91; vgl. zum Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung: Wabnitz, RdJB 2013 S. 72, 78 f.).
2.4.1.2 Abgrenzung zur Förderverpflichtung
Rz. 42
Das danach bestehende Förderermessen hinsichtlich Art, Höhe und Auswahl darf die Förderverpflichtung dem Grunde nach allerdings nicht in Frage stellen (vgl. oben zu Abs. 1 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 15.1.1997, 16 A 2389/96; v. Boetticher/Münder, in: Münder u. a., FK-SGB VIII, § 74 Rz. 19). Hiergegen dürfte jedenfalls dann verstoßen werden, wenn schlechthin keine Haushaltsmittel für die Jugendhilfe eingeplant würden (so Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 74 Rz. 43, Stand: 1997; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 16.6.1997, 4 M 1219/97; VGH Hessen, Urteil v. 6.9.2005, 10 UE 3025/04; mit Herleitung aus § 79 SGB VIII Forkel, ZKJ 2010 S. 5, 7; anders wohl Rauber, KommJur 2008 S. 366). Das gilt auch dann, wenn für einzelne gesetzlich vorgesehene Arten der Jugendhilfe solche Haushaltsmittel bereitgestellt würden. Lediglich in welcher Höhe Mittel für die Jugendhilfe gewährt werden, bleibt zulässige Entscheidung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe (vgl. BVerfG, Urteil v. 18.7.1967, 2 BvF 3/62 u. a.; VG Berlin, ZsJ 2000 S. 194; Forkel, ZKJ 2010 S. 5, 8; anders Kunkel, ZKJ 2013 S. 228, 229: Haushaltsmittel seien in der Höhe zur Verfügung zu stellen, dass alle Aufgaben erfüllt werden können). Bei begrenzten Haushaltsmitteln muss der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ein Förderkonzept erstellen, mit dem er Prioritäten setzt und selbst die notwendigen Auswahlentscheidungen fällt (BVerwGE 134 S. 206 = SRa 2010 S. 32). Wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Probleme einer Förderungskürzung einfach auf die freien Träger verlagert, eine Vermeidungsstrategie fährt und sich selbst der unangenehmen Auswahlentscheidung entzieht, handelt er ermessensfehlerhaft (vgl. BVerwG, Urteil v. 17.7.2009, 5 C 25.08; Meysen, SRA 2010 S. 32, 39).
Rz. 42a
Ausgeschlossen ist die Ermessensentscheidung nach § 74 weiter für den Bereich der Finanzierung von Tageseinrichtungen, wie der durch das Tagesbetreuungsgesetz (TAG) v. 27.12.2004 (BGBl. I S. 3852) eingefügte § 74a Satz 1 anordnet. Die Finanzierung von Tageseinrichtungen regelt danach das Landesrecht. Jedoch kann diese Sperrwirkung des § 74a erst eingreifen, wenn der Landesgesetzgeber von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht hat (BVerwG, Beschluss v. 28.5.2014, 5 B 4/14 Rz. 7; BVerwG, Urteil v. 21.1.2010, 5 CN 1.09; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 24.1.2008, 7 A 10974/07). Andernfalls bleibt es also beim Ermessen nach § 74.
2.4.1.3 Arten der Förderung
Rz. 43
Die in Betracht kommenden Arten der Förderung sind im Gesetz nicht vorgegeben. Die Kommentarliteratur, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde gelegt wird, differenziert zunächst einmal die Projektförderung und die institutionelle Förderung (Wiesner, SGB VIII, § 74 Rz. 10; Trésore, in: Schlegel/Voelzke juris-PK SGB VIII, § 74 Rz. 153). Die Projektförderung muss, wie die Bezeichnung bereits erkennen lässt, auf ein bestimmtes abgrenzbares Projekt bezogen sein. Bei der institutionellen Förderung werden verschiedene Finanzierungsarten unterschieden: Bei der Anteilsfinanzierung wird die Höhe der Zuwendung nach einem festen Prozentsatz der zuwendungsfähigen Ausgaben des Trägers der freien Jugendhilfe bemessen. Im Falle einer unerwarteten, vom freien Träger nicht zu verantwortenden Kostensteigerung kann dieses Finanzierungsmodell Nachschüsse vonseiten des öffentlichen Trägers erfordern, im Falle einer Unterschreitung des Kostenvoranschlags ist die Zuwendung vom freien Träger anteilig zurückzuzahlen (Wiesner, SGB VIII, § 74 Rz. 11; Trésore, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB VIII, § 74 Rz. 154). Eine Fehlbedarfsfinanzierung kommt nur dann in Betracht, wenn der freie Träger zuvor alle Finanzierungsmöglichkeiten, und zwar aus eigene...