Rz. 46
Obgleich freie Träger keinen Rechtsanspruch auf Förderung gegen den öffentlichen Träger in bestimmter Art und Höhe haben, haben sie jedenfalls einen Anspruch darauf, dass die öffentlichen Träger ihr Ermessen fehlerfrei ausüben (vgl. BVerfG, Urteil v. 17.12.1969, 2 BvR 23/65; BVerwG, Urteil v. 19.6.1974, VIII C 89.73; OVG Hamburg, Urteil v. 12.9.1980, Bf I 1/79). Der Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe hat nach Abs. 3 Satz 1 im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zu treffen. Die nachfolgenden Regelungen der Abs. 3 Satz 2 und 3, Abs. 4 bis 6 geben die Leitlinien zur Ermessensausübung vor. Der Jugendhilfeträger hat die verschiedenen Arten der Förderung sowie deren Umfang in seine Ermessenserwägungen einzubeziehen. Die Ermessensentscheidung ist nach Maßgabe von § 114 VwGO gerichtlich überprüfbar. Als Ermessensfehler kommen Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch und Ermessensüberschreitung in Betracht.
Grundlage der Prüfung ist die Entscheidungsbegründung der Behörde. Sofern der öffentliche Träger über die Förderung durch Verwaltungsakt entscheidet, muss er die Gesichtspunkte darlegen, von denen er bei der Ermessensausübung ausgegangen ist. Dies schreibt § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X im Falle von Ermessensentscheidungen nämlich vor. Erst dies ermöglicht es den Verwaltungsgerichten, die Ermessensentscheidung zu überprüfen und mögliche Ermessensfehler zu erkennen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 10.9.2002, 9 S 2506/01; Kunkel, ZKJ 2013 S. 228).
Rz. 47
Damit kommen die allgemeinen Prüfungsmaßstäbe der Ermessensfehlerlehre zum Tragen (vgl. § 39 Abs. 1 SGB I und § 114 VwGO; detailliert dazu Forkel, ZKJ 2010 S. 5, 8 ff.).
Es muss zunächst überhaupt eine Ermessensausübung stattgefunden haben. Die Behörde darf sich nicht irrtümlich für gebunden gehalten haben, eine bestimmte Förderungsentscheidung treffen zu müssen (Ermessensnichtgebrauch). So z. B., wenn die Förderung eines Kindergartens mit der Begründung abgelehnt wird, es bestehe kein "zwingender Förderungsbedarf", weil die vorhandenen Kindergartenplätze nicht ausgelastet seien (VGH Hessen, Urteil v. 6.9.2005, 10 UE 3025/04). Ermessensunterschreitung oder Ermessensnichtgebrauch liegt auch dann vor, wenn der Begründung der Ermessensentscheidung nicht zu entnehmen ist, dass der Jugendhilfeträger alle Arten der Förderung in Betracht gezogen hat und bei seiner Ablehnung nur von einer in Betracht kommenden Finanzierungsform ausgegangen ist (BVerwG, Urteil v. 25.4.2002, 5 C 23/01).
Rz. 48
Weiter darf nicht eine Rechtsfolge bestimmt worden sein, zu der der Gesetzgeber nicht ermächtigt hat. Das wäre insbesondere der Fall, wenn die Behörde über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel hinausginge (Ermessensüberschreitung).
Rz. 49
Schließlich darf die Ermessensentscheidung nicht aus Gründen erfolgen, die außerhalb des Rahmens des Kinder- und Jugendhilferechts liegen (Ermessensfehlgebrauch). In der Praxis werden hier die meisten Fehler gemacht. Erweist sich z. B. ein Träger als zur Förderung grundsätzlich geeignet, darf eine Förderung nicht etwa wegen dessen politischer Einstellung abgelehnt werden. Ermessensfehlerhaft ist es auch etwa, bei der Entscheidung über die Förderung von Kindergärten dem Gesichtspunkt der Ortsnähe grundsätzlich Vorrang einzuräumen gegenüber anderen Abdeckungskriterien, z. B. der besonderen pädagogischen Ausrichtung oder Wertorientierung eines Kindergartens (BVerwG, Urteil v. 25.11.2004, 5 C 66/03). § 74 enthält keine vorrangigen Wertungskriterien, sodass es unzulässig ist, einem Abwägungskriterium grundsätzlich überwiegendes Gewicht zuzusprechen.
Rz. 50
Ermessensfehler führen zur Aufhebung der Ablehnungsentscheidung. Sie können auch einen Förderungsanspruch begründen. Wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine Förderung rechtswidrig verweigert, hindert dies nicht, den Anspruch auf Förderung in den Folgejahren durchzusetzen. Der Träger der Jugendhilfe ist in diesem Fall verpflichtet, die erforderlichen Mittel in den Haushalt des Folgejahres einzustellen (OVG Nordrhein-Westfalen, DVBl. 2004 S. 64).