Rz. 51

Maßgebend für die Ermessensausübung ist der Jugendhilfezweck. Maßstäbe und Wertungen ergeben sich zunächst aus den Grundsätzen von § 1 und §§ 3 bis 5. Welche Kriterien heranzuziehen zulässig ist und zweckmäßig erscheint, ist eine Frage des Einzelfalls.

 

Rz. 52

Als zulässige Ermessenskriterien hat die Rechtsprechung beispielsweise anerkannt:

  • Bindung vorhandener Mittel an zuvor gesetzte jugendpolitische Schwerpunkte (VG Frankfurt, Urteil v. 2.1.1995, 8 G 3647/94),
  • Ablehnung neuer Einrichtungen freier Träger, wenn der Bedarf bereits durch vorhandene Einrichtungen der Jugendämter gedeckt wird (BVerfG, Urteil v. 18.7.1967, 2 BvF 3/62 u. a.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 15.6.2001, 12 A 3045/99),
  • Unterscheidung zwischen erstmaliger bzw. einmaliger Förderung und Dauerförderung (VG Frankfurt, Urteil v. 2.1.1995, 8 G 3647/94),
  • die dem Gleichheitssatz verpflichtete Anwendung bestehender Förderrichtlinien (VG Frankfurt, Urteil v. 2.1.1995, 8 G 3647/94),
  • Ausrichtung an den Interessen der Betroffenen (VG Frankfurt, Urteil v. 2.1.1995, 8 G 3647/94),
  • Feststellungen des Jugendhilfeausschusses zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der jeweiligen Maßnahme sowie zum Umfang des im maßgeblichen Gebiet vorhandenen Angebots (VG Frankfurt, Urteil v. 2.1.1995, 8 G 3647/94).

Daneben gehört zu den schon von Gesetzes wegen anerkannten Kriterien der Ermessensausübung der Bedarf (vgl. § 74 Abs. 3 Satz 2) für die Einrichtung. Doch darf dieser nicht allein quantitativ ermittelt werden, sondern hat sich an den Vorgaben der §§ 3 bis 5 zu orientieren. So genügt für die Ermittlung des Bedarfs an Kindergartenplätzen nicht allein die Gegenüberstellung von Kindergartenplätzen und Kindern im entsprechenden Alter. Die Bedarfsfeststellung hat vielmehr die Vielfalt an Wertorientierungen, Inhalten, Methoden und Arbeitsformen (§ 3 Abs. 1) zu berücksichtigen (so zu einer Waldorfeinrichtung VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 18.12.2006, 12 S 2474/06; OVG Niedersachsen, Urteil v. 7.2.2006, 4 LB 389/02).

 

Rz. 53

Als ermessensfehlerhaft ist hingegen angesehen worden:

  • Berufung auf den Haushaltsplan, wenn bereits in diesem gleichheitswidrige Maßstäbe angelegt sind (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 15.6.2001, 12 A 3045/99),
  • Verweis auf Bindung der zur Verfügung stehenden Mittel an "bewährte" Träger (VG Stade, Urteil v. 13.11.1996, 1 A 298/96),
  • Ablehnung der Förderung von Kindergartenplätzen, wenn diese der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz dienen, da hier das Ermessen i. d. R. auf Null reduziert ist (OVG Niedersachsen, Urteil v. 12.1.1999, 4 M 1528/98),
  • genereller Ausschluss einer Initiativgruppe aus einem Bewerbungsverfahren für die Vergabe einer großen Einrichtung (Kinderhaus); anders aber, wenn hierauf im Rahmen der Auswahlentscheidung abgestellt wird (VG Frankfurt, RsDE 76 S. 80; bestätigt durch VGH Kassel, Beschluss v. 2.2.1989, 9 TG 4407.88),
  • Versagung der Förderung für die sexualpräventive Arbeit eines Trägers, wegen negativer Beurteilung seiner Arbeit als anerkannte Beratungsstelle nach § 219 StGB (VG Kassel, RsDE 27 S. 86, 92),
  • Versagung der Förderung, weil der Träger der freien Jugendhilfe ein spezielles pädagogisches Anliegen (Waldorfpädagogik) verfolgt, solange die in § 22 festgelegten Grundsätze nicht verletzt werden (VGH Hessen, Urteil v. 6.9.2005, 10 UE 3025/04); soll ein Kindergarten mit einer besonderen pädagogischen Ausrichtung trotz anhaltender Nachfrage nicht gefördert werden, bedarf es einer besonderen Erklärung (BVerwG, Urteil v. 25.4.2002, 5 C 18.01; OVG Niedersachsen, Urteil v. 7.2.2006, 4 LB 389/02),
  • Übergewichtung des Ermessenskriteriums der "Ortsnähe" bei der Entscheidung über die Förderung eines nicht ortsansässigen Waldorfkindergartens (OVG Niedersachsen, Urteil v. 7.2.2006, 4 LB 389/02).

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