2.1 Regelung durch das Landesrecht
Rz. 2
Satz 1 begründet einen Regelungsauftrag und eine umfassende Öffnungsklausel für den Landesgesetzgeber in Bezug auf die Finanzierung von Tageseinrichtungen. Die Vorschrift kann daher in seinem Anwendungsbereich nicht als Prüfungsmaßstab für die durch den Landesgesetzgeber geschaffene Regelung herangezogen werden, soweit von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wurde (BVerwG, Urteil v. 21.2.2010, 5 CN 1/09; OVG Münster, Urteil v. 15.10.2012, 12 A 1054/11 Rz. 100; OVG Münster, Urteil v. 1.12.2014, 12 A 2523/13 Rz. 147; VG Karlsruhe, Urteil v. 25.11.2008, 8 K 1727/08 Rz. 28). Das gilt zumindest dann, wenn der Landesgesetzgeber von der Öffnungsklausel abschließend Gebrauch gemacht hat. Diese entfaltet in dem Fall nämlich eine Sperrwirkung (BVerwG, a. a. O.; OVG Münster, a. a. O., str.; a. A. Wabnitz, ZKJ 2007, 189, 191; ders., ZKJ 2009, 398; vgl. zu der Diskussion Fridrich/Lieber, VBlBW 2008, 81, 83 f.).
Rz. 3
Die Sperrwirkung greift allerdings nur dann ein, wenn der Landesgesetzgeber von seiner Kompetenz auch Gebrauch gemacht hat (BVerwG, Beschluss v. 28.5.2014, 5 B 4/14 Rz. 7; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 24.1.2008, 7 A 10974/07, LNR 2008, 10487; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 1.2.2011, 12 S 1774/10). Das ist Folge des Regelungsmodells des Art. 72 Abs. 3 GG, wonach durch Bundesgesetz bestimmt werden kann, dass eine bundesrechtliche durch eine landesrechtliche Regelung abgelöst werden kann. Denn den Landesgesetzgebern soll insoweit im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nur der Vorrang eingeräumt (originäres Gesetzgebungsrecht der Länder; vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.6.2008, 12 B 799/08 Rz. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, OVGE 50 S. 217), nicht hingegen ein Regelungsvorbehalt zugestanden werden. Die Vorschrift wird damit also nicht schlechthin unanwendbar. Vielmehr bedarf es zur Aufhebung ihrer Anwendbarkeit in jedem Fall einer landesgesetzlichen Regelung. In ihrem Anwendungsbereich verdrängt die Vorschrift die Ermessensentscheidung nach § 74 und ihre Regelungen für den Bereich der Finanzierung von Tageseinrichtungen (str., wie hier: BVerwG, Urteil v. 31.1.2010, 5 CN 1.09; BVerwG, Beschluss v. 28.5.2014, 5 B 4/14; VG Münster, Urteil v. 22.7.2014, 6 K 854/13 Rz. 39; a. A. Wabnitz, in: GK-SGB VIII, § 74a Rz. 29).
Rz. 4
Satz 1 erteilt dem Landesgesetzgeber die Befugnis, alle Aspekte der Finanzierung von Tageseinrichtungen für Kinder einschließlich der institutionellen Förderung der Träger der freien Jugendhilfe zu regeln (BVerwG, Urteil v. 21.1.2010, 5 CN 1.09, EuG 2010 S. 309; so auch Fridrich/Lieber, VBlBW 2008, 81, 84; Kern, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, § 74a Rz. 4). Es ist daher z. B. grundsätzlich zulässig, durch das Landesrecht die Förderung von Tageseinrichtungen von einer Aufnahme in die Bedarfsplanung abhängig zu machen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 26.6.2008, 12 B 799/08, LNR 2008, 18329). Sie enthält nun insofern eine eindeutige Ermächtigung für die Länder (vgl. zu den einzelnen Landesgesetzen Degener/Happe, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, § 74a Rz. 4 ff.).
Rz. 5
Mit der Einführung des der Regelung in das SGB VIII wurde die Finanzierung von Tageseinrichtungen aus dem allgemeinen Finanzierungssystem des SGB VIII herausgenommen und als einzelne Materie den Landesgesetzgebern zugewiesen (RegBegr., BT-Drs. 15/3676 S. 39; Kern, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, § 74a Rz. 6). Allerdings sind die Landesgesetzgeber in ihrer Gestaltung nicht völlig frei. Denn die Regelungsermächtigung enthebt den Landesgesetzgeber nicht von seiner Bindung an die bundesrechtlich geregelten materiellen Ziele und Grundsätze der Jugendhilfe im Übrigen, sondern nur derjenigen an § 74 (Sieben, VBlBW 2011, 223, 224). Auch das Fördersystem der Bundesländer muss also die Pluralität der Jugendhilfe, wie sie vor allem durch § 3 Abs. 1 zum Ausdruck kommt, gewährleisten (BVerwG, Urteil v. 21.1.2010, 5 CN 1.09 Rz. 31; OVG Münster, Urteil v. 1.12.2014, 12 A 2523/13 Rz. 166).
2.2 Förderung aller Träger
Rz. 6
Durch Satz 2 werden die Länder dazu ermächtigt, auch privat-gewerbliche Träger in die Förderung einzubeziehen. An sich ist die Berechtigung dazu bereits in Satz 1 enthalten (vgl. auch BT-Drs. 16/10173 S. 16), weshalb Satz 2 insofern eine Einschränkung darstellt, als auch für diese Träger die Erfüllung der rechtlichen und fachlichen Anforderungen zur Voraussetzung gemacht wird (BT-Drs. 16/10173 S. 11; Trésoret, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 74a Rz. 32).
Gleichzeitig beinhaltet die Vorschrift keine Verpflichtung der Einbeziehung privat-gewerblicher Träger durch die Bundesländer (OVG Münster, Urteil v. 1.12.2014, 12 A 2523/13 Rz. 123, 142). Das ursprünglich angestrebte Ziel einer sofortigen Gleichstellung von privat-gemeinnützigen und privat-gewerblichen Anbietern ist nicht erreicht worden (vgl. BT-Drs. 16/10173 S. 7; BT-Drs. 16/9299 S. 7). Auch im Rahmen des § 74a ist es nicht Aufgabe der staatlichen Einrichtungsförderung, die private Gewinnerzielung zu ermöglichen oder zu begünstige...