2.1.1 Anerkennungsfähiger Personenkreis

 

Rz. 5

Anerkannt werden können nur juristische Personen und Personenvereinigungen. Einzelpersonen sind von der Anerkennung ausgeschlossen (siehe BT-Drs. 12/2866 S. 33). Träger der freien Hilfe sind demnach alle Rechtssubjekte, die Leistungen der Jugendhilfe erbringen, soweit sie nicht Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind oder sonst als öffentliche Körperschaften Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe wahrnehmen (Wiesner/Wapler/Wiesner, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 75 Rz. 6). Als juristische Personen kommen neben dem eingetragenen Verein die Stiftung bürgerlichen Rechts, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Aktiengesellschaft infrage (Trésoret, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 75 Rz. 34). Unter die Personenvereinigungen fallen neben den nicht eingetragenen Vereinen und den Gesellschaften des bürgerlichen Rechts auch alle anderen Initiativen, Projekte, Selbsthilfegruppen und Einrichtungen, sofern sie von mehreren Personen getragen werden sowie ein Mindestmaß an erkennbarer Struktur, organisatorischer Festigkeit und Kontinuität aufweisen (vgl. Schindler/v. Boetticher, FK-SGB VIII, § 75 Rz. 13; Hauck, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 75 Rz. 8; DIJuF-Rechtsgutachten v. 10.9.2012, J 1.320 Sch, JAmt 2012, 582, 583).

 

Rz. 6

Nicht anerkennungsfähig sind daher auch etwa GmbHs, die von den Jugendämtern (also von öffentlichen Trägern) gegründet werden. Auch für solche Gesellschaften kommt daher etwa die Beteiligung an Arbeitsgemeinschaften nach § 78 nicht infrage, da dort nur anerkannte Träger der freien Jugendhilfe zugelassen sind.

Nicht anerkennungsfähig sind darüber hinaus kommunale Eigengesellschaften, auch wenn sie in einer privatrechtlichen Rechtsform (z. B. GmbH) betrieben werden. Hier behalten die Gemeinden faktisch und rechtlich Einfluss auf die wesentlichen Entscheidungen der Gesellschaft, sodass nicht von einem freien Träger gesprochen werden kann (vgl. OVG Thüringen, ThürVBl. 2005, 68, für den entsprechenden Begriff in § 4 Abs. 1 thKitaG).

2.1.2 Materielle Anerkennungsvoraussetzungen

 

Rz. 7

§ 75 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 regelt abschließend, welche Voraussetzungen das Jugendamt oder Landesjugendamt zu prüfen hat, bevor es nach seinem Ermessen entscheidet, ob der Antragsteller als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt wird. Soweit die Voraussetzungen unbestimmt formuliert sind, wie dies etwa für die Frage gilt, ob der Antragsteller erwarten lässt, einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe erbringen zu können (§ 75 Abs. 1 Nr. 3), handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Auslegung solcher Begriffe steht nicht im Ermessen der Anerkennungsbehörde und räumt ihr auch keinen Beurteilungsspielraum ein; sie kann von den Verwaltungsgerichten inhaltlich vollständig überprüft werden (Münder u. a., FK-SGB VIII, § 75 Rz. 15).

2.1.2.1 Tätigkeit auf dem Gebiet der freien Jugendhilfe

 

Rz. 8

Nr. 1 setzt voraus, dass der Träger der freien Jugendhilfe auf dem Gebiet der Jugendhilfe i. S. d. § 1 tätig ist. Nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 soll die Jugendhilfe zur Verwirklichung des Rechts junger Menschen auf Förderung der Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit

  • junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden und abzubauen,
  • Eltern und Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen,
  • Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,
  • dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.
 

Rz. 9

Der Träger muss selbst Leistungen erbringen, die unmittelbar oder mittelbar zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe beitragen. Nicht ausreichend ist es, wenn ein Träger sich nur darauf beschränkt, bestimmte jugendpolitische Forderungen gegenüber Politik und Öffentlichkeit zu vertreten (Trésoret, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 75 Rz. 42). Ein Träger, der außerhalb der Jugendhilfe liegende Ziele verfolgt, kann nicht anerkannt werden, selbst wenn er mit seinen Angeboten zum Teil auch junge Menschen anspricht. Hierunter fallen auch Vereinigungen, die überwiegend der Lehre und Verbreitung einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft dienen (Grundsätze für die Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe nach§ 75 SGB VIII der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugendbehörden – AGObLJB 2016 Nr. 2.1.5). Gleiches gilt für Vereinigungen, die rein kommerzielle Zwecke verfolgen, Träger der Erwachsenenbildung, die nicht auch Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen, Vereinigungen, die allgemeine Aufklärung und Information betreiben, Schüler- und Studentenverbände, Jugendpresseverbände und Jugendorganisationen politischer Parteien (Trésoret, a. a. O., Rz. 45).

 

Rz. 10

Unter diese Ziele muss sich jedenfalls ein Teil der Tätigkeit des Antragstellers subsumieren lassen. Dabei kann zur Hilfestellung auf die in § 2 aufgelisteten Aufgaben der Jugendhilfe zurückgegriffen werden. Allerdings ist darauf zu achten, dass die...

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