Rz. 12
Nach Nr. 2 muss der Antragsteller gemeinnützige Ziele verfolgen. Damit soll nicht die Gemeinnützigkeit im steuerrechtlichen Sinne gemeint sein (siehe BT-Drs. 11/6748 S. 82; so auch VG Köln, Urteil v. 27.6.2013, 26 K 34/12 Rz. 144 ff.). Dies stellt die Jugendämter vor Probleme, da unklar ist, wodurch sich der steuerrechtliche von dem allgemeinen Begriff der Gemeinnützigkeit unterscheiden soll (zur Diskussion Trésoret, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 75 Rz. 46-49; Kern, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, § 75 Rz. 9). Einigkeit dürfte darin bestehen, dass Trägern, die steuerrechtlich nach § 51 AO als gemeinnützig anerkannt sind, die gemeinnützige Zielverfolgung i. S. d. § 75 nicht abgesprochen wird (ebenso Trésoret, a. a. O., Rz. 50; Kern, in: Schellhorn/Fscher/Mann/Kern, SGB VIII, § 75 Rz. 9; a. A. VG Köln, Urteil v. 27.6.2013, 26 K 34/12 Rz. 155). Strittig ist lediglich, ob darüber hinaus Raum für eine Anerkennung besteht (siehe dazu § 74, Anm. 3.4.). Soweit sich trotz fehlender Anerkennung durch die Steuerbehörden nach den Vorgaben der AO aus der Satzung, dem Gesellschaftsvertrag, dem Stiftungsurkundentext oder der Beschreibung der Aufgabenstellung und Ziele des freien Trägers eine Gemeinnützigkeit nachvollziehbar ergibt, kann dies keinen Bedenken begegnen (vgl. OVG Hamburg, Urteil v. 22.4.2008, 4 Bf 104/06 Rz. 28 ff., das von einer Identität des Gemeinnützigkeitsbegriffs in § 74 und § 75 ausgeht). Probleme bereitet lediglich die darüber hinausgehende Formulierung von Kriterien der Gemeinnützigkeit des Trägers, die über den bloßen Jugendhilfezweck der Einrichtung oder des Dienstes hinausgehen.
Rz. 13
Klar ist, dass freie Träger, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, nicht anerkannt werden können (vgl. OVG Münster, Urteil v. 1.12.2014, 12 A 2523/13 Rz. 173; VG Minden, DAVorm 1997, 812). Erwerbsinteressen sind eigennützig, nicht gemeinnützig. Verfassungsrechtlich ist diese Ungleichbehandlung gegenüber gemeinnützigen Trägern nicht zu beanstanden (vgl. OVG Hamburg, Urteil v. 22.4.2008, 4 Bf 104/06 Rz. 42 ff.). Zum Teil wird hierin indes eine Verletzung der freien Träger in ihren Grundrechten aus Art. 12, 3 GG gesehen, da eine solch enge Auslegung weder historisch noch teleologisch gerechtfertigt sei (VG Hamburg, Urteil v. 17.1.2006, 13 K 1657/04, ZKJ 2006, 377). Sollte man den betreffenden Schutzbereich als berührt betrachten, so wird dies jedoch gerechtfertigt sein. Die Differenzierung stellt sich nämlich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht als willkürlich dar und wäre hinsichtlich Art. 12 Abs. 1 GG eine Berufsausübungsregelung, die durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (bereits gegen das Vorliegen einer Berufsausübungsregelung: OVG Hamburg, Urteil v. 22.4.2008, 4 Bf 104/06 Rz. 45). Im Anwendungsbereich des Unionsrechts könnte diese Benachteiligung privat-gewerblicher Träger der Jugendhilfe allerdings in absehbarer Zeit auf den Prüfstand geraten. Die Diskussion um die Geltung europäischen Wettbewerbsrechts auf dem Feld sozialer Dienstleistungen und um die Dienstleistungsrichtlinie der EU v. 12.12.2006 (2006/123/EG); vgl. hierzu nur die Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes zum Gespräch mit der Bundesministerin der Justiz am 7.1.2005 über den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt KOM (2004) 2 v. 25.2.2004, einsehbar auf der Homepage des djb: www.djb.de. Die Diskussion hat gezeigt, dass die Institutionen der Gemeinschaft der Wohlfahrtspflege keinen selbstverständlichen Freibrief mehr erteilen. Dies könnte weitreichende Folgen für die freie Jugendhilfe in Deutschland haben, da von einer europaweiten Öffnung des Marktes abgesehen auch die staatliche Förderung dann an der beihilferechtlichen Hürde des Art. 107 AEUV scheitern könnte (vgl. die Stellungnahme des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge v. 15.12.2003, DV 29/03, die auf der Homepage des Vereins einsehbar ist: www.deutscher-verein.de, zur Altmark Trans Entscheidung des EuGH, Urteil v. 24.7.2003, C-280/00). So gibt das VG Hamburg an, es "tendiere" zu der Auffassung, dass das europäische Wettbewerbsrecht auch im Verhältnis der Träger von öffentlicher und freier Jugendhilfe anwendbar sei. Damit verstoße die bisherige Auslegung des Gemeinnützigkeitserfordernisses gegen Gemeinschaftsrecht (VG Hamburg, Urteil v. 17.1.2006, 13 K 1657/04). Im Bereich der Jugendhilfe würden Dienstleistungen der Daseinsvorsorge nicht als rein karitative Arbeit, sondern als wirtschaftliche Leistungen erbracht, weshalb die Dienstleistungsfreiheit hier mit all ihren Folgen gelte. Um den gemeinschaftsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben zu genügen, wird vorgeschlagen, den Begriff der "Verfolgung gemeinnütziger Ziele" weniger an der altruistischen Motivation als i. S. d. Realisierung des Sozialstaatsprinzips zu verstehen (VG Hamburg, Urteil v. 17.1.2006, 13 K 1657/04 Rz. 29). Damit würde das Kriterium der Gemeinnützigkeit von der Frage der Gewinnerzielung losgelö...