2.4.1 Zuständigkeit
Rz. 9
Zuständig für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe an der Wahrnehmung von Aufgaben beteiligt wird, sind nach § 85 Abs. 1 die örtlichen Träger der Jugendhilfe. Die Aufgabe wird den überörtlichen Trägern nämlich nicht in § 85 Abs. 2 zugewiesen. Tatsächlich sind daher die Jugendämter der Kreise und kreisfreien Städte gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 sachlich zuständig (vgl. Maas/Törnig, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, § 76 Rz. 3).
Rz. 10
Wird eine Aufgabe teilweise oder vollständig einem anerkannten Träger der freien Jugendhilfe zur Ausführung übertragen, handelt es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung i. S. d. § 70 Abs. 2 (vgl. Wiesner, SGB VIII, § 76 Rz. 14). Bedeutung und Tragweite einer solchen Übertragung, die eine gesetzliche Ausnahme zu dem Grundsatz darstellt, dass die anderen Aufgaben der Jugendhilfe von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen werden, heben die Übertragung deutlich von den Geschäften der laufenden Verwaltung ab. Die Übertragung muss daher nach § 70 Abs. 1, § 71 Abs. 2 und 3 Satz 1 vom Jugendhilfeausschuss beschlossen werden (Kern, in: Schellhorn, SGB VIII, § 76 Rz. 13; Münder, in: Münder u. a., FK-SGB VIII, § 76 Rz. 8; Wiesner, SGB VIII, § 76 Rz. 14).
2.4.2 Rechtsform
Rz. 11
Da Aufgaben der Jugendhilfe hoheitliche Aufgaben sind, handelt es sich bei Vereinbarungen über die Beteiligung eines anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe um öffentlich-rechtliche Verträge i. S. d. § 53 SGB X (Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 76 Rz. 5, Stand: 2009; Münder, in: Münder u. a., FK-SGB VIII, § 76 Rz. 3; Schellhorn, SGB VIII/KJHG, § 76 Rz. 8). Streitigkeiten aus einem solchen Vertragsverhältnis sind öffentlich-rechtlicher Natur, für die nach § 40 Satz 1 VwGO die Verwaltungsgerichte zuständig sind.
Rz. 12
Der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages über die Übertragung der Ausführung einer Aufgabe bringt es notwendig mit sich, dass die beiden Vertragspartner die Einzelheiten der Beteiligung aushandeln. Hilfestellung können die Vorschriften des SGB X über Auftragsverhältnisse zwischen Leistungsträgern (§§ 88 ff.) geben. Die Einzelheiten der Beteiligung vertraglich auszuhandeln, ist schon deshalb sinnvoll, um Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien zu vermeiden.
Rz. 13
Zu regeln sein wird in jedem Fall, wie das Weisungsrecht des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe auszuüben ist, welche Informationspflichten der Träger der freien Jugendhilfe gegenüber dem Jugendamt hat, welche Aufwendungen erstattet werden und welche Möglichkeiten bestehen, um das Vertragsverhältnis zu beenden. Soweit eine vertragliche Regelung nicht besteht, sind §§ 53 ff. SGB X und – ergänzend – die Vorschriften des BGB namentlich zu Auftrag und Geschäftsbesorgung entsprechend anwendbar (vgl. Winkler, in: BeckOK SGB VIII, § 76).
2.4.3 Grenzen der Ermächtigung
Rz. 14
Beteiligt ein öffentlicher Träger einen freien Träger an der Wahrnehmung von Aufgaben auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, so hat er § 97 Abs. 1 SGB X zu beachten. Sofern nach dieser Vorschrift ein Leistungsträger von einem Dritten Aufgaben wahrnehmen lassen kann, muss sichergestellt sein, dass der Dritte die Gewähr für eine sachgerechte, die Rechte und Interessen des Betroffenen wahrende Erfüllung der Aufgaben bietet. § 97 Abs. 2 SGB X, der etwa für die Kündigung eines Auftrags auf die Regelung in § 92 SGB X verweist und weitere spezielle Pflichten der Vertragspartner regelt, ist hingegen auf Vereinbarungen im Rahmen von § 76 nicht anwendbar. § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB I schließt § 97 Abs. 2 SGB X für die Zusammenarbeit öffentlicher Leistungsträger mit gemeinnützigen und freien Einrichtungen ausdrücklich aus (Kern, in: Schellhorn, SGB VIII, § 76 Rz. 8).
2.4.4 Ermessen
Rz. 15
Die Jugendämter können anerkannte Träger der freien Jugendhilfe beteiligen. Sie müssen es nicht. Die Entscheidung der Jugendämter steht also sowohl hinsichtlich des "Ob" der Beteiligung als auch hinsichtlich des "Wie" im pflichtgemäßen Ermessen (so auch Schindler, in: LPK-SGB VIII, § 76 Rz. 7). Dieses bezieht sich auf die Auswahl des Trägers der freien Jugendhilfe ebenso wie auf den Umfang der Beteiligung oder Übertragung als auch auf die Frage, ob eine Vereinbarung über eine Beteiligung überhaupt angestrebt werden sollte.
Rz. 16
Jeder anerkannte Träger der freien Jugendhilfe, der am Abschluss einer Vereinbarung über eine Beteiligung interessiert ist, hat einen Anspruch darauf, dass die Jugendämter dieses Ermessen fehlerfrei ausüben. Das Jugendamt darf also weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreiten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch machen (§ 114 VwGO). Ermessensfehlerhaft würde das Jugendamt etwa handeln, wenn es mit der Entscheidung Zwecke verfolgen würde, die von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt sind. Demnach sind Erwägungen, die sich außerhalb des Kinder- und Jugendhilferechts bewegen, unzulässig. Ob ein Ermessensfehler vorliegt, muss in jedem Einzelfall entschi...