0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 79a wurde durch Art. 2 Nr. 21 BKiSchG v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 2979) mit Wirkung zum 1.1.2012 neu in den Vierten Abschnitt des SGB VIII eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 79a gestaltet den Auftrag des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, im Rahmen seiner Gesamtverantwortung neben der Bereitstellung der erforderlichen Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen (§ 79 Abs. 2 Nr. 1) auch eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung abzusichern (§ 79 Abs. 2 Nr. 2), näher aus. Die vom Gesetzgeber geforderte kontinuierliche Qualitätsentwicklung hat für den öffentlichen Träger der Jugendhilfe 2 Komponenten: zum einen die Weiterentwicklung, Anwendung und regelmäßige Überprüfung der Grundsätze und Maßstäbe, zum anderen die Umsetzung der geeigneten Maßnahmen zur Gewährleistung. Mit der Formulierung "weiterentwickeln" setzt der Gesetzgeber voraus, dass derartige Grundsätze und Maßstäbe sowie geeignete Maßnahmen zu deren Gewährleistung beim öffentlichen Träger der Jugendhilfe aufgrund der bestehenden Gesamtverantwortung bereits vorhanden sind. Darüber hinaus machen die Umsetzungsschritte "anwenden" und "regelmäßig überprüfen" deutlich, dass dies ein ständiger Prozess ist, die Erkenntnisse aus einer regelmäßigen Überprüfung wiederum in die Phase der Weiterentwicklung einfließen.
2 Rechtspraxis
2.1 Anwendungsbereich der kontinuierlichen Qualitätsentwicklung
Rz. 3
Die Weiterentwicklung von Grundsätzen und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität sowie die Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung beziehen sich auf folgende Bereiche:
- die Gewährung und Erbringung von Leistungen (Satz 1 Nr. 1), dies umfasst primär den gesamten Leistungskatalog des SGB VIII;
- die Erfüllung weiterer Aufgaben (Satz 1 Nr. 2), dies betrifft Tätigkeiten, die nicht unter Nr. 1 fallen, aber ggf. mit der Erbringung von Leistungen des SGB VIII in Zusammenhang stehen oder im Interesse des Leistungsempfängers oder im Interesse der Wirksamkeit von Maßnahmen liegen;
- den Prozess der Gefährdungseinschätzung nach § 8a, um bei Verdachtsfällen der Kindeswohlgefährdung einen wirkungsvollen Handlungsrahmen für das Zusammenwirken der verschiedenen Fachkräfte zur Verfügung zu haben, dies kann zugleich der Erfüllung des Auftrages aus § 3 Abs. 1 KKG dienen, mit den zuständigen Leistungsträgern und Institutionen im Kinderschutz ein Netzwerk mit flächendeckend verbindlichen Strukturen der Zusammenarbeit aufzubauen;
- die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen (Satz 1 Nr. 3), dies betrifft insbesondere diejenigen Institutionen, die als Partner der strukturellen Zusammenarbeit in § 81 benannt sind;
- die Erarbeitung von Qualitätsmerkmalen für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen und ihren Schutz vor Gewalt (Satz 2).
2.2 Orientierungsrahmen für die Umsetzung
Rz. 4
Aufgrund der Tatsache, dass es in der Kinder- und Jugendhilfe keine allgemein verbindlichen Grundsätze gibt, die durch ein fachliches Gremium gesteuert werden, hat der Bundesgesetzgeber auf eine gesetzliche Ausgestaltung eines Orientierungsrahmens verzichtet, dies auch deshalb, weil Aufgaben des SGB VIII im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung wahrgenommen werden (so die Begründung zu § 79a, BT-Drs. 17/6256 S. 27). Dies bedeutet jedoch nicht, dass überhaupt keine inhaltlichen Bezugspunkte bestehen. In Anknüpfung an die Aufgaben der überörtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe nach § 85 Abs. 2 können und sollten dessen fachliche Empfehlungen als Maßstab bzw. Orientierungshilfe für die Weiterentwicklung der Grundsätze und Maßstäbe für die Qualitätsbewertung herangezogen und der Maßnahmekatalog zur Gewährleistung einer Qualität nach den "Regeln der fachlichen Kunst" (BT-Drs. 17/6256, a. a. O.) ausgerichtet werden.
3 Literatur
Rz. 5
Böhmer, Neugestaltung der Kinder- und Jugendhilfe – Ein Beitrag zur Qualitätsdebatte im Zuge der Novellierung der §§ 79/79a SGB VIII, VSSR 2014 S. 273;
Fazekas, Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe nach Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes, NDV 2015 S. 359;
Jaritz, Qualität im Sozialrecht – Bericht über die Bundestagung des Deutschen Sozialrechtsverbandes e. V., NZS 2012 S. 172;
Merchel, Zum Umgang mit Qualität und Qualitätsentwicklung im SGB VIII, ZKJ 2015 S. 375;
Mund, Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe – Diskussionspapier des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, NDV 2012 S. 555.