0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG) v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 2975) mit Wirkung zum 1.1.2012 eingeführt. Sie enthält anknüpfend an die Diskussion am Runden Tisch "Sexueller Kindesmissbrauch" Regelungen zur weiteren Qualifizierung des Kinderschutzes. Abs. 1 gewährleistet die fachliche Beratung und Begleitung von kinder- und jugendnahen Berufsgruppen in Fragen der Gefährdungseinschätzung. Abs. 2 normiert einen Anspruch von Einrichtungsträgern auf Beratung bei der Entwicklung und Anwendung fachlicher Leitlinien zur Sicherung des Kindeswohls.
Rz. 1a
Durch Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde mit Wirkung zum 10.6.2021 Abs. 3 angefügt.
1 Allgemeines
Rz. 1b
Während der Schutzauftrag nach § 8a an das Jugendamt gerichtet ist, erweitert § 8b den Adressatenkreis und bezieht alle Personen ein, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen. Die Vorschrift regelt in Abs. 1 einen Anspruch dieser Personen auf Beratung durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe. Abs. 2 regelt einen Anspruch der Einrichtungsträger auf Beratung durch den überörtlichen Träger der Jugendhilfe. Abs. 3 betont die speziellen Schutzbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen.
2 Rechtspraxis
2.1 Beratung durch eine erfahrene Fachkraft
Rz. 2
Abs. 1 regelt einen Anspruch auf Beratung, wobei der Gesetzgeber den Kreis der Anspruchsberechtigten wohl bewusst weit gefasst und grob umrissen hat. Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen stehen, sind in den unterschiedlichsten Bereichen tätig. Gemeint sind nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6256 S. 39) auch die außerhalb des Systems der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Berufsgruppen. Sie nimmt auch die Schulen in den Blick und weist insoweit auf weitere Unterstützungsleistungen aufgrund landesrechtlicher Vorschriften hin. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf örtlicher Ebene, an die sich die Ansprüche auf Beratung richten, sind verpflichtet, im Rahmen der Gesamtverantwortung einen Pool von Fachkräften im Kinder- und Jugendschutz vorzuhalten. Der Beratungsanspruch soll bei der Einschätzung der Kindeswohlgefährdung im Einzelfall bestehen. Gemäß § 8a Abs. 4 Nr. 2 soll in den Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten der freien Kinder- und Jugendhilfe sichergestellt werden, dass bei der Gefährdungseinschätzung eine erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen wird.
Rz. 2a
Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 4 KKG zu sehen. Dort werden in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 Personengruppen genannt, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 KKG Anspruch auf Beratung haben sollen. Die Formulierungen in § 4 Abs. 1 KKG einerseits und § 8b Abs. 1 sind jedoch unterschiedlich. Während es sich bei den in § 4 Abs. 1 KKG genannten Personengruppen um die Berufsgeheimnisträger handelt, die in § 203 StGB aufgeführt sind, ist der in § 8b Abs. 1 genannte Personenkreis wesentlich weiter gefasst. Neben den in der Kinder- und Jugendhilfe beruflich Tätigen gehören auch außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe tätige Personen, die aber beruflich Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben, dazu (Kößler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 8b Rz. 12 m. w. N.). Obwohl beide Regelungen durch das BKiSchG eingeführt wurden, sind sie nicht aufeinander abgestimmt, was zu Recht als unsystematisch zusammengewürfelter Normenmix ("Cocktailgesetz") bezeichnet wird (Kunkel, in: LPK SGB VIII, 5. Aufl., Anhang 1 zu § 1 Rz. 6). Während dem in § 4 Abs. 1 KKG genannten Kreis der Berufsgeheimnisträger neben dem Beratungsanspruch auch Handlungspflichten auferlegt werden, normiert § 8b Abs. 1 für den weiter gefassten Personenkreis ausschließlich einen Beratungsanspruch. Die Pseudonymisierung bei der Übermittlung der für die Beratung erforderlichen Daten (vgl. dazu die Komm. zu § 4 KKG Rz. 4) ist in Abs. 1 nicht ausdrücklich geregelt. Sie wird aber auch hier als Voraussetzung für eine qualifizierte, den Regelungen des Datenschutzes genügende Vorgehensweise zugrunde gelegt (Mann, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Aufl., § 8b Rz. 6). Ehrenamtlich tätige Personen, die nicht in einer entlohnten Erwerbstätigkeit mitwirken, sind nicht einbezogen (Wiesner/Wapler/Wapler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 8b Rz. 9).
2.2 Beratungsanspruch der Einrichtungsträger
Rz. 3
Abs. 2 richtet sich an die Träger von Einrichtungen nach § 45a im Anwendungsbereich des Erlaubnisvorbehalts nach § 45, in denen sich Kinder regelmäßig ganztägig oder für einen Teil des Tages aufhalten. Dazu gehören Kindertageseinrichtungen, Schülerheime, Jugendherbergen, Jugendfreizeitstätten, Jugendbildungsstätten und Schullandheime. Ihnen und den nach §§ 12, 18 bis 29 zuständigen Leistungsträgern steht ein Anspruch auf Beratung gegenüber dem überörtlichen Träger der Jugendhilfe zu. Er bezieht sich auf die Beratung sowohl bei der Entwicklung und Anwendung von Leitlinien zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor G...