0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) mit Wirkung zum 10.6.2021 eingeführt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Mit den Regelungen soll der Anspruch auf Beratung aus § 14 SGB I und die Auskunftspflicht gemäß § 15 SGB I konkretisiert und auf den Aufgabenbereich der Kinder- und Jugendhilfe zugeschnitten werden. Primärer Zweck der Beratung nach dieser Vorschrift ist es, die Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe in die Lage zu versetzen, ihre Rechte nach dem SGB VIII wahrnehmen zu können. Sie erfolgt daher im Vorfeld von spezifischen Beratungs-, Unterstützungs- und Hilfeprozessen, um Zugänge zu diesen aufzuzeigen, Orientierung über Zuständigkeiten zu geben und auch über Ausgestaltung, Wirkungen und Abläufe zu informieren. Vor dem Eintritt in konkrete Hilfeprozesse und eine darauf bezogene Aufklärung und Beratung etwa nach § 36 Abs. 1 gehört die Beratung über das Leistungssystem der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch zur Orientierung an den Schnittstellen zu anderen Leistungssystemen zu den Aufgaben des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (BT-Drs. 19/26107 S. 77).
2 Rechtspraxis
2.1 Zu beratender Personenkreis
Rz. 3
Anspruch auf Beratung haben nach Abs. 1 alle Leistungsberechtigten nach dem SGB VIII und auch Leistungsempfänger, die nicht selbst leistungsberechtigt sind, wie etwa Kinder und Jugendliche bei der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. Die Beratung muss adressatenorientiert in verständlicher und nachvollziehbarer Weise erfolgen. In Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Behinderungen umfasst die Beratung auch die sog. "leichte Sprache". Damit soll Art. 21 VN-Behindertenrechtskonvention Rechnung getragen werden. Den Leistungsberechtigten soll dadurch ein Sicherheitsgefühl vermittelt werden, dass auf ihren Wunsch eine Vertrauensperson hinzuzuziehen ist. Damit kann auch die Verständigung und Kommunikation verbessert werden. (BT-Drs. 19/26107 S. 78).
2.2 Beratungsgegenstände
Rz. 4
Abs. 2 Satz 1 konkretisiert in einem nicht abschließenden Aufgabenkatalog den Beratungsauftrag des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. Hierzu gehört zum einen eine Beratung über die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe einschließlich des Zugangs zum Leistungssystem sowie mögliche Auswirkungen einer Hilfe, die sich in psychosozialer Hinsicht auf die betroffenen Personen, z. B. bezüglich entwicklungspsychologischer Prozesse oder Bindungen beziehen, und mögliche Folgen einer Hilfe, die in rechtlicher Hinsicht etwa mit Kostenbeitrags- oder Mitwirkungspflichten verbunden sein können. Da Leistungsadressatinnen und -adressaten der Kinder- und Jugendhilfe vor allem auch vor dem Hintergrund komplexer Bedarfslagen oftmals (vorrangige) Ansprüche auf Sozialleistungen nach anderen Gesetzen haben, umfasst die Beratung weiterhin die Leistungen der anderen Leistungsträger. Die jeweiligen Verwaltungsabläufe gehören ebenfalls zur Beratung. Damit erhalten Familien mit komplexen Bedarfslagen, die sich unterschiedlichen Leistungsansprüchen, unterschiedlichen Verfahren der Anspruchsprüfung sowie unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen gegenübersehen, Unterstützung bei der Orientierung an den Schnittstellen zu anderen Leistungssystemen. Dazu dienen auch Hinweise zur Leistungserbringung und zu Angeboten im jeweiligen Sozialraum. Hierzu gehört insbesondere die Information über die ergänzenden und unabhängigen Beratungsangebote nach § 32 SGB IX (Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung – EUTB®) für den Bereich der Rehabilitation und Teilhabe.
Abs. 2 Satz 2 stellt klar, dass die Beratung, soweit erforderlich, auch die Unterstützung bei der Antragstellung, bei der Klärung weiterer zuständiger Leistungsträger sowie der Erfüllung von Mitwirkungspflichten umfasst (BT-Drs. 19/26107 S. 78).
2.3 Teilnahme am Gesamtplanverfahren
Rz. 5
Abs. 3 steht im Zusammenhang mit dem Gesamtplanverfahren nach § 117 Abs. 6 SGB IX und sieht vor, dass das Jugendamt bei der Aufstellung des Gesamtplans nach § 121 SGB IX beratend teilnimmt, soweit die Voraussetzungen nach § 117 Abs. 6 SGB IX vorliegen. Mit der Regelung wird funktionell sichergestellt, dass bis zur schrittweisen Zusammenführung der Zuständigkeiten für junge Menschen mit Behinderungen im SGB VIII im Jahr 2028 bzw. der Einführung der Funktion eines sog. "Verfahrenslotsen" beim Jugendamt im Jahr 2024 (vgl. § 10b) die spezifischen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen, die sich in vielfältiger Hinsicht grundsätzlich von den Bedarfen Erwachsener unterscheiden, im Hinblick auf die Leistungsgewährung der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche zum Tragen kommen (BT-Drs. 19/26107 S. 79).