Rz. 10
Wie oben schon unter 2.1 dargelegt wurde, ist der Dienstleistungsbegriff in einer umfassenden Weise zu verstehen. Er setzt voraus, dass die Leistungsberechtigten in Fragen der Sozialhilfe beraten werden. Beratung enthält dabei ein aktives Element – nämlich im Einzelfall auch die Offenbarung von Tatsachen und Informationen, nach denen der Leistungsberechtigte von sich aus gar nicht gefragt hat und von denen er möglicherweise gar nichts weiß, die aber für seine persönliche (Gesamt-)Situation sehr wohl von Bedeutung und Interesse sein könnten. Information ist dabei jedwede Auskunft, die der Leistungsberechtigte in seiner speziellen Situation benötigt (vgl. Dauber, a. a. O., § 10 Rz. 22). Die Beratung in Fragen der Sozialhilfe meint auch eine Rechtsberatung.
Rz. 10a
Zur Beratung und Unterstützung in sonstigen sozialen Angelegenheiten gehört es, den Leistungsberechtigten in allen sich aus seiner jeweiligen sozialen Situation ergebenden Fragen zu beraten. Der Begriff der sonstigen sozialen Angelegenheiten ist dabei weit auszulegen, er umfasst allgemeine Lebensfragen sowie außerhalb des Sozialhilferechts auftretende sozialrechtliche Probleme (vgl. Streichsbier, a. a. O., § 10 Rz. 11).
Aus dem Nachrang der Sozialhilfe (§ 2) folgt, dass sich die Beratungsobliegenheit des Sozialhilfeträgers in Fragen erschöpft, für die nicht andere Träger eine Beratung durchführen müssen. Steht die Zuständigkeit einer anderen Stelle fest, erschöpft sich die Beratungspflicht des Sozialhilfeträgers auf den Verweis hierauf (vgl. Holzhey, a. a. O., § 10 Rz. 38).
Es stellt eine Form von Dienstleistung dar, wenn die Träger der Sozialhilfe eigene Informationsbroschüren zur Sozialhilfe insgesamt oder auch zu bestimmten Themenbereichen erstellen und sie den Leistungsberechtigten aushändigen bzw. sie zum Mitnehmen in den Ämtern auslegen (einige Sozialhilfeträger machen von solchen Informationsmöglichkeiten guten Gebrauch). Auch auf die Broschüren von Wohlfahrtsverbänden oder Selbsthilfegruppen kann verwiesen werden.
Rz. 11
Zu bedenken ist im Zusammenhang mit Beratung schließlich auch, dass die Träger der Sozialhilfe für die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Beratung einzustehen haben. Die Beratung muss für den Hilfeempfänger verständlich sein. Bei unrichtigen Auskünften droht die Haftung nach Amtshaftungsgrundsätzen (Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB; Spindler, Die Beratungs- und Aufklärungsverpflichtungen im BSHG und SGB I, und was sich mit der neuen Rechtslage ändern wird, Sozialrecht aktuell 2004 S. 77; von Koch, Folgen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungsverpflichtungen, Sozialrecht aktuell 2004 S. 107; Streichsbier, a. a. O., § 10 Rz. 17 m. w. N.; Linhart/Adolph, a. a. O., 2005, § 10 Rz. 16; Dauber, a. a. O., § 10 Rz. 24).
Da Sozialhilfe nach wie vor das "letzte Netz" im Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland darstellt, erfordert es die Lebenssituation der Leistungsberechtigten, dass auch in sonstigen sozialen Angelegenheiten eine Beratung und Unterstützung zu erfolgen hat (Abs. 2 Satz 2; vgl. auch Rz. 3 ff.).
Rz. 12
Damit die bei der Sozialhilfebearbeitung eingesetzten Fachkräfte (§ 6) ihren gesetzlichen Beratungsverpflichtungen in entsprechender Weise nachkommen können, müssen für sie aber auch die Beratungsumstände in räumlicher und sachlicher Hinsicht angemessen sein. Es kann keine vernünftige Beratung geben, wenn ein einzelner Sachbearbeiter Unmengen von Fallakten monatlich zu bearbeiten und "zu beraten" hat.
Von besonderem Interesse ist beim Thema Beratung auch das seit dem 1.7.2008 in Kraft befindliche Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Es gestattet in § 8 Abs. 1 unter anderem auch den freien Wohlfahrtsverbänden mit ihren Beratungsstellen und Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern, Leistungsberechtigte in rechtlicher Hinsicht zu beraten. Allerdings fordert der Gesetzgeber in derartigen Fällen, dass die entsprechenden Beratungspersonen ausreichend geschult sind und auf rechtlichen Sachverstand (z. B. im Rahmen einer Hintergrundberatung) zurückgreifen können (vgl. auch Dauber, a. a. O., § 10 Rz. 29 m. w. N.).