Rz. 2
Die Vorschrift entspricht in wesentlichen Teilen und in ihrer Funktion dem bisherigen § 116 BSHG. Zweck der Regelung ist es, dem Träger der Sozialhilfe die Prüfung der Bedürftigkeit des Leistungsberechtigten zu ermöglichen, ihn in die Lage zu versetzen, zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der Nachrang der Sozialhilfe durch Inanspruchnahme von etwaigen Unterhalts- oder Kostenersatzpflichten hergestellt werden soll. Die Auskunftspflicht knüpft daher zwar grundsätzlich an das bürgerlich-rechtliche Unterhaltsrecht an. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens gemäß Abs. 1 setzt indes nicht voraus, dass ein Unterhaltsanspruch des Leistungsberechtigten tatsächlich besteht. Erst wenn feststeht, dass ein bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht gegeben oder sein Übergang auf den Sozialhilfeträger offensichtlich ausgeschlossen ist, ist das Auskunftsverlangen selbst rechtswidrig (sog. Negativevidenz; vgl. zu § 116 BSHG: BVerwG, Urteil v. 21.1.1993, 5 C 22/90).
Rz. 3
Ergänzt wurde die Regelung dahingehend, dass nunmehr auch Lebenspartner i. S. d. LPartG in die Regelung einbezogen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass der mit einem Unterhaltspflichtigen zusammenlebende eingetragene Lebenspartner ebenso wie ein Ehegatte oder eine einer anderen leistungsberechtigten Person gegenüber unterhaltspflichtige Person dem Träger der Sozialhilfe Auskunft über seine bzw. ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben hat. Durch die Änderung in Abs. 2 wird die Auskunftspflicht der Arbeitgeber der Leistungsberechtigten, von deren Ehegatten und anderer Unterhaltspflichtiger auf die Arbeitgeber von Lebenspartnern der Leistungsberechtigten und der Unterhaltspflichtigen ausgedehnt (BT-Drs. 15/1514 S. 69). Neu ist auch die Auskunftspflicht der Dritten nach Abs. 2 und der Banken sowie sonstiger Treuhänder nach Abs. 3. Mittelbar erweitert ist die Regelung ferner durch die Auskunftspflicht der in Haushaltsgemeinschaft i. S. d. § 39 stehenden Personen, wenn die Vermutung der Bedarfsdeckung besteht und nicht widerlegt wird, weil hier wegen der Neufassung des Personenkreises in § 39 nun ausdrücklich auch nicht verwandte oder verschwägerte (§§ 1589, 1590 BGB) Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erfasst werden.
Rz. 4
Bei wörtlichem Verständnis würde der Anwendungsbereich des § 117 nun praktisch eine allgemeine Auskunftspflicht für jedermann beinhalten, der in die wirtschaftliche Lage eines Leistungsberechtigten eingebunden ist (kritisch hierzu: Eichhorn/Fergen, Praxis der Sozialhilfe, 3. Aufl. 1998, S. 175; ebenso Schellhorn, NDV 2004 S. 167, und Deutscher Verein, NDV 2003 S. 490; ferner: Wenner, SozSich 2005 S. 102; Schoch, ZFSH 2005 S. 67, und Müller-Thele, NJW 2005 S. 1541). Mit dieser Erweiterung hat sich der Gesetzgeber über die verfassungsrechtlichen Einwände hinweggesetzt, die bereits anlässlich des BSHG-Reformgesetzes 1996 gegen die Einbeziehung nicht verwandter Personen in den Kreis der Vermutungsregel der Bedarfsdeckung erhoben wurden (BR-Drs. 452/95 S. 11; Deutscher Verein, NDV 1995 S. 353). Die nach dem erweiterten Wortlaut des § 39 einbezogenen nicht verwandten oder verschwägerten in Haushaltsgemeinschaft stehenden Personen sind nämlich auch bei etwaig früher gewährten Zuwendungen rechtlich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zur ferneren Unterstützung des Leistungsberechtigten verpflichtet, sodass zweifelhaft erscheint, ob fortgesetzte Zuwendungen für die Zukunft überhaupt bzw. in gleicher Höhe tatsächlich vermutet werden können (Conradis, in: Bieritz-Harder/Conradis, LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 16 Rz. 18, 24) – was allein sozialhilferechtlich von Belang und damit (verfassungsrechtlich) zulässiger Ansatzpunkt für die im Gesetz postulierte Auskunftsverpflichtung sein kann.
Rz. 5
Zu messen ist die Verfassungsmäßigkeit des Auskunftsverlangens am Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Es umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann, wie, wo, gegenüber wem, wieweit und für welche Dauer persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG, Urteil v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a.). Sein Schutzbereich ist sowohl hinsichtlich der Auskunftsansprüche gegen den Leistungsberechtigten wie auch hinsichtlich eines solchen Verlangens gegenüber Dritten eröffnet. Letzteres gilt dabei sowohl für den Leistungsberechtigten wie für den Dritten, von dem oder über den Auskünfte verlangt werden. Der Wortlaut des § 117 greift insofern erheblich weiter als das allgemeine Sozialrecht in den beschriebenen Schutzbereich ein. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I darf ein Träger der Sozialversicherung nämlich Auskünfte über die Antragsteller von Sozialleistungen bei Dritten nur dann einholen, wenn der Betroffene vorher ausdrücklich zugestimmt hat, die Auskünfte erforderlich sind und nicht beim (vorrangig auskunftspflichtigen) Betroffenen erhoben werden können (Deutscher Verein, NDV 1992 S. 300; Schoch, in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 117 Rz. 39, E...