Rz. 12
Bestehen über die Zuständigkeit zwischen den zuständigen Leistungsträgern unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Erwerbsfähigkeit, so fand nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von Satz 3 das Verfahren der Einigungsstelle nach § 45 SGB II Anwendung. Die letztere Vorschrift wurde mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit Wirkung zum 1.1.2011 aufgehoben.
Rz. 13
Nach der ab 1.1.2011 geltenden Fassung des Satzes 3 besteht eine strikte Bindung des Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers bzw. des Grundsicherungsträgers über die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers. Dies entspricht dem ebenfalls neu gefassten § 44a SGB II. Gemäß § 44a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II kann der Sozialhilfeträger der Entscheidung des Grundsicherungsträgers widersprechen. In einem solchen Fall wird eine gutachterliche Stellungnahme des nach § 109a Abs. 2 SGB VI zuständigen Rentenversicherungsträgers eingeholt. An deren Ergebnis ist der Grundsicherungsträger und in der Folge auch der Sozialhilfeträger gebunden. Im gerichtlichen Verfahren ist die Verwaltungsentscheidung voll überprüfbar. Bis zur Entscheidung über die Erwerbsfähigkeit wird die Erwerbsfähigkeit fingiert (Blüggel, SGb 2011, 16). Gemäß § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II erbringen bis dahin die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dabei handelt es sich nicht um eine vorläufige Leistung oder einen Vorschuss, sondern um eine endgültige Leistung. Hält ein SGB-II-Träger einen Hilfesuchenden also für nicht erwerbsfähig, hat er bis zur Klärung der Erwerbsfähigkeit Leistungen nach § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II zu erbringen und darf den Hilfesuchenden nicht einfach auf den Sozialhilfeträger verweisen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 9.6.2016, L 9 SO 427/15 B ER, Rz. 6 f.)
Rz. 14
Wird also der Grundsicherungsträger angegangen, so setzt er das Verfahren nach § 44a SGB II in Gang. Wird der Sozialhilfeträger angegangen, so verfährt er nach der ebenfalls zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 45. Danach ersucht der Sozialhilfeträger den nach § 109a Abs. 2 SGB VI zuständigen Rentenversicherungsträger, die medizinischen Voraussetzungen für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu prüfen, wenn die übrigen Voraussetzungen für die Hilfegewährung vorliegen. Das Ersuchen ist nicht erforderlich, wenn der Rentenversicherungsträger bereits eine Feststellung getroffen oder eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat, oder wenn es sich um Behinderte i. S. d. § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI handelt.
Wird der SGB II-Leistungsträger verklagt und kommt infolge eines Ausschlussgrundes ein Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel in Betracht, ist der Sozialhilfeträger nach § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG notwendig beizuladen (BSG, Urteil v. 16.12.2015, B 14 AS 15/14 R, Rz. 42).