0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift trat gemäß Art. 70 Abs. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) am 1.1.2005 in Kraft.
Zum 1.1.2011 fand durch Art. 3 Nr. 8 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011 (BGBl. I S. 453) eine vollständige Neustrukturierung des Dritten Kapitels und in diesem Zusammenhang eine massive Änderung des § 27 statt. Die bis zum 31.12.2010 in Abs. 1 und Abs. 2 enthaltenen Regelungen zum notwendigen Lebensunterhalt im Allgemeinen und für Kinder und Jugendliche befinden sich seitdem in § 27a. Die aktuellen Fassungen der vorgenannten Absätze sind wiederum aus dem früheren § 19 übernommen worden (zu den Einzelheiten vgl. Rz. 2). Abs. 3 entsprach zunächst in sprachlich überarbeiteter Form noch der vorherigen Bestimmung (zum Ganzen BT-Drs. 17/3404 S. 120). Durch Art. 13 Nr. 3 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) ist dann aus systematischen und redaktionellen Gründen eine Neufassung von § 27 Abs. 3 (sog. kleine Haushaltshilfe) mit Wirkung zum 1.1.2020 verabschiedet worden (vgl. BT-Drs. 18/9522 S. 332, vgl. im Einzelnen Rz. 28 ff.). Demgegenüber ist die Norm nicht direkt von den Änderungen des SGB XII durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 22.12.2016 (BGBl. I S. 3159) betroffen gewesen.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift enthält schon seit 2011 – wie in den übrigen, das Leistungsrecht umfassenden Kapiteln 4 bis 8 – dem Dritten Kapitel vorangestellt Regelungen über die Leistungsberechtigten und konkretisiert damit die allgemeine Regelung des § 19 Abs. 1 zum anspruchsberechtigten Personenkreis und zur Bedürftigkeit. Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 sind vollständig inhaltsgleich mit § 19 Abs. 1. § 27 Abs. 2 Satz 2 und 3 sind wiederum inhaltlich identisch mit § 19 Abs. 1 Satz 2 (HS 1 und 2) in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung. Abs. 3 regelt in der aktuellen, seit dem 1.1.2020 geltenden Fassung (wie schon in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung) einen Sonderfall der Leistungsberechtigung trotz fehlender Bedürftigkeit (vgl. zu den Neuregelungen ab 1.1.2020 Rz. 28 ff.).
2 Rechtspraxis
2.1 Bedürftigkeit, Einsatzgemeinschaft (Abs. 1 und Abs. 2)
Rz. 3
Abs. 1 und 2 gehen letztlich zurück auf die im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelung des bis zum 31.12.2004 geltenden § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 BSHG. Der Hinweis auf die gemeinsame Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen folgt § 9 Abs. 1, wonach sich die Leistungen nach den Mitteln des Haushalts richten, in dem die Betroffenen leben. Er bewirkt, dass die Leistungsberechnung für Familien i. d. R. gemeinsam erfolgt und nur dann für einzelne Familienmitglieder durchgeführt wird, wenn einzelnen Mitgliedern der familiären Gemeinschaft ausreichend eigenes Einkommen und Vermögen zur Verfügung steht (zur Leistungsberechnung im Einzelnen vgl. Rz. 15 ff.). Damit wird stillschweigend das Konstrukt der sog. Einsatzgemeinschaft vorausgesetzt (vgl. Coseriu, in: juris-PK SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 27 Rz. 10 ff.; zum Begriff der Einsatzgemeinschaft im Einzelnen vgl. Rz. 5).
2.1.1 Grundnorm (Abs. 1, Abs. 2 Satz 1)
Rz. 4
Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 beschreiben in allgemeiner Form die zentrale Anspruchsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit für Leistungen nach dem Dritten Kapitel. Weder vom Wortlaut noch vom Inhalt her ergeben sich Abweichungen zu der Regelung des § 19 Abs. 1 (vgl. Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 46. EL VI/16, § 27 Rz. 5). Der einzige "Wert" der Bestimmungen liegt damit in der systematischen Angleichung an den Aufbau der übrigen Kapitel des SGB XII. Ob dies sinnvoll ist, wird unterschiedlich beurteilt (vgl. einerseits Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 27 Rz. 2, und andererseits Schoch, in: LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 27 Rz. 1). Hinsichtlich der inhaltlichen Einzelheiten der Bestimmungen in Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Komm. zu § 19 Abs. 1 verwiesen.
2.1.2 Einsatz-/Bedarfsgemeinschaft (Abs. 2 Satz 2 und 3)
Rz. 5
Abs. 2 Satz 2 und 3 bestimmt, wie die Bedürftigkeit bei nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern sowie minderjährigen unverheirateten Kindern zu ermitteln ist. Die betreffenden Personen bilden eine Einsatz- oder Bedarfsgemeinschaft. Die Terminologie (z. T. wird auch von Familiennotgemeinschaft oder Einstandsgemeinschaft gesprochen) ist nicht zwingend. Zur besseren Unterscheidung von der entsprechenden Konstellation im SGB II, wo ausdrücklich von einer Bedarfsgemeinschaft gesprochen wird (vgl. z. B. § 9 Abs. 2 SGB II), die aber konstruktive Unterschiede zum SGB XII aufweist (vgl. dazu Rz. 16), wird hier vorgeschlagen, für den Bereich des SGB XII den Begriff Einsatzgemeinschaft zu gebrauchen (instruktiv zur historischen Entwicklung der unterschiedlichen Begriffe Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 46. EL VI/2016, § 27 Rz. 16 bis 19). Dies entspricht auch – seit Anbeginn seiner Zuständigkeit f...