Rz. 26
Insofern sind die jeweiligen Regelungen immer im Zusammenhang zu lesen. § 28 entspricht von seiner Funktion her – seit dem 1.1.2011 allerdings in deutlich differenzierterer Form – den vorherigen Abs. 3 und 4. Die Regelungen aus dem früheren Abs. 1 finden sich seitdem inhaltsgleich oder zumindest ähnlich in § 27a Abs. 3 bzw. Abs. 4 Satz 1 (vgl. die dortige Komm.). Eine dem alten Abs. 2 vergleichbare Regelung existiert nicht mehr, weil das BVerfG ja gerade die Festsetzung der Leistungen durch Rechtsverordnung beanstandet hatte (vgl. auch BT-Drs. 17/3404 S. 121). Die Vorschrift des alten Abs. 5 findet sich nunmehr in § 27a Abs. 5 (vgl. die dortige Komm.).
2.1 Inhalt und Aufbau der Vorschrift
Rz. 27
§ 28 enthält seit dem 1.1.2011, den Vorgaben des BVerfG folgend, deutlich konkretere Bestimmungen zur Bedarfsbemessung. Neben der grundsätzlichen Festlegung auf die Statistikmethode unter Zugrundelegung der EVS (vgl. dazu Rz. 4) und der Fixierung eines gesetzlichen Anspruches (Abs. 1 und Abs. 2) weist er genauere Vorgaben dafür auf, nach welchen Kriterien und auf welche Weise die statistischen Daten aus der EVS aufzubereiten und auszuwerten sind. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf die Bestimmung der sog. Referenzhaushalte, die Erstellung von Sonderauswertungen zur EVS und die endgültige Bedarfsberechnung auf dieser Grundlage gerichtet (Abs. 3 bis 5).
2.1.1 Neuermittlung der Regelbedarfe (Abs. 1)
Rz. 28
Die Regelbedarfe sind nach Abs. 1 neu zu ermitteln, wenn die Ergebnisse einer bundesweiten neuen EVS vorliegen. Dies waren im Zeitpunkt der grundlegenden Änderung des § 28 zum 1.1.2011 die Ergebnisse der EVS 2008. Die nächste EVS ist im Jahre 2013 erhoben worden, wobei sich die Hoffnung auf eine Aktualisierung 2015 (vgl. Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 26. EL II/2012, § 28 Rz. 41) bei Weitem nicht erfüllt haben. Auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen dürfte die für 2018 erstellte EVS erst 2022 zu gesetzgeberischen Anpassungen führen. In der Zwischenzeit findet lediglich eine Fortschreibung nach Maßgabe des § 28a statt (vgl. die dortige Komm.). Die Vorgabe, wann eine Neuermittlung vorzunehmen ist, entspricht im Grundsatz der des Abs. 3 Satz 5 in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (vgl. BT-Drs. 17/3404 S. 121). Diesbezüglich wird kritisiert, dass das Gesetz keinen genauen Termin festlegt, zu dem die Regelbedarfe im Falle des Vorliegens der Ergebnisse einer neuen EVS zu ermitteln sind (vgl. Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 28 Rz. 26).
Rz. 29
Nach Auffassung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 17/3404 S. 51, BT-Drs. 18/9984 S. 23), der zuzustimmen ist, hat sich die EVS als Grundlage für die Regelbedarfsmessung als alternativlos erwiesen, weil sie als einzige Quelle valide Daten zur Konsumstruktur liefert. Die EVS wird vom Statistischen Bundesamt durchgeführt und stellt die einzige statistische Erhebung in Deutschland dar, die Einkommens-, Vermögens- und Schuldensituation sowie die Konsumausgaben der Haushalte erfasst. Dazu werden in etwa fünfjährigen Abständen jeweils rund 0,2 % aller privaten Haushalte befragt. Bei der letzten EVS 2018, waren dies 80.762 Haushalte (EVS 2013: 79.287; EVS 2008: 77.648). Ein Vorteil der EVS gegenüber anderen Statistiken liegt in der über jeweils drei Monate fortlaufenden Aufzeichnung der Einnahmen und der Ausgaben durch die befragten Haushalte, was zu einem höheren Grad an Genauigkeit als bei retrospektiven Fragen oder bei einer Momentaufnahme nach dem Stichtagkonzept führt. Hinsichtlich der Exaktheit der Ausgaben- und Einkommenserfassung stellt die EVS die verlässlichste Datenquelle dar. Ausgaben und Einkommen können zudem nach deren Höhe differenziert ausgewertet werden.
2.1.2 Bestimmung der Regelbedarfsstufen (Abs. 2)
Rz. 30
In Abs. 2 wurde der Inhalt des bis zum 31.12.2010 geltenden Abs. 3 Satz 2 und 3 in präzisierter Form zusammengefasst, der seinerseits wiederum in etwa § 22 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BSHG entsprach. Maßgebend für die Bestimmung der Regelbedarfsstufen sind danach Stand und Entwicklung von Nettoeinkünften, Verbraucherverhalten sowie Lebenshaltungskosten auf der Grundlage der durch die (aktuelle) EVS nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen.
Rz. 31
Welcher Personenkreis den unteren Einkommensgruppen zuzuordnen ist, wird nicht in Abs. 2 selbst, sondern erst in § 4 RBEG definiert. Danach (§ 4 Satz 2 RBEG) werden von den in § 2 RBEG legal definierten Einpersonen- bzw. Familienhaushalten die unteren 15 % bzw. die unteren 20 % berücksichtigt. Dies stellt im Vergleich zur alten Vorgehensweise insofern eine Änderung dar, als bis zum 31.12.2010 (vgl. § 2 Abs. 3 RSV) durchgängig noch die unteren 20 % ("Quintil") berücksichtigt wurden. Die alte Regelung hat das BVerfG ausdrücklich nicht für beanstandungswürdig gehalten (vgl. BVerfG, Urteil v. 9.2.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, Rz. 168).
Rz. 32
Die Reduzierung der Referenzgruppe auf die unteren 15 % der Einpersonenhaushalte ist kritisiert worden, weil so nur noch ein verhältnismäßig geringer Teil (etwa 10 %) der Haushalte eingeflossen ist, der an der Erhebung teilgen...