2.1 Einkommen und Vermögen (Abs. 1)
2.1.1 Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten (Abs. 1 Satz 1)
Rz. 3
In Abs. 1 des § 43 ist durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes v. 21.12.2015 (BGBl. I S. 2557) mit Wirkung zum 1.1.2016 ein neuer Satz 1 eingefügt. worden Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/6284) werden aus systematischen Gründen die Vorschriften über den Einsatz von Einkommen und Vermögen in § 43 zusammengefasst. Dazu wurden die in § 41 Abs. 1 (Leistungsberechtigte) enthaltenen Verweisungen auf den Einsatz von Einkommen und Vermögen (§§ 82 bis 84 und 90) sowie die darlehensweise Gewährung im Falle eines einzusetzenden, aber aus objektiven Gründen nicht unmittelbar verwertbaren Vermögens (§ 91) in den neu eingefügten Satz 1 von § 43 Abs. 1 übernommen.
Rz. 4
Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben nur Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln beschaffen können. Damit verdeutlicht der Gesetzgeber das Nachrang- und Bedürftigkeitsprinzip (§ 2). Der Hilfesuchende muss erst sein eigenes Einkommen oder Vermögen einsetzen, bevor er auf steuerfinanzierte Grundsicherungsleistungen zurückgreifen kann. Reichen die eigenen Mittel aus, den Grundsicherungsbedarf aufzubringen, hat der Hilfesuchende keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen. Der Grundsicherungsberechtigte muss seinen Lebensunterhalt auch dadurch "beschaffen", indem er durchsetzbare Ansprüche (z. B. auf andere Sozialleistungen, Unterhaltsansprüche gegen getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten, Forderungen gegen Dritte) realisiert (VG Karlsruhe, Urteil v. 15.3.2005, 5 K 4713/03, n. v.; Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 41 Rz. 37). Bis dahin können Grundsicherungsleistungen als Darlehen gewährt werden, weil Abs. 2 Satz 2 nunmehr ausdrücklich auf § 91 verweist.
Rz. 5
Unterhaltsansprüche gegenüber Kindern und Eltern muss der Leistungsberechtigte aber nicht durchsetzen (Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 41 Rz. 36; Hußmann, ZEV 2005 S. 54, 57), sofern deren jährliches Gesamteinkommen i. S. d. § 16 SGB IV mehr als 100.000,00 EUR beträgt (vgl. § 43 Abs. 5 Satz 1 und die Komm. dort). Mit der formelhaften Begründung, es lägen "unklare Vermögensverhältnisse" vor, darf ein Antrag auf Grundsicherungsleistungen nicht abgelehnt werden (SG Düsseldorf, Beschluss v. 1.2.2005, S 35 SO 9/05 ER, info also 2005 S. 86, 87; Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 41 Rz. 36).
Rz. 6
Zum Einkommen gehören alle (Brutto-)Einkünfte in Geld oder Geldeswert, wobei § 82 Abs. 1 hiervon bestimmte öffentlich-rechtliche Leistungen ausnimmt. Auszusparen sind ferner anderweitig zweckbestimmte öffentlich-rechtliche Leistungen i. S. d. § 83 Abs. 1, Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege oder sonstiger Dritter gemäß § 84 sowie Schmerzensgelder nach § 253 BGB (vgl. § 83 Abs. 2). Von den berücksichtigungsfähigen (Brutto-)Einkünften sind nach § 82 Abs. 2 bestimmten Aufwendungen abzusetzen. Hierzu gehören Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und sonstige gesetzlich vorgeschriebene Beiträge sowie Ausgaben, die notwendig sind, um Einkommen zu erzielen.
Rz. 7
Ob Kindergeld leistungsmindernd als Einkommen berücksichtigt werden muss, ist umstritten. Die Frage tritt vor allem bei erwachsenen Kindern auf, die schwerstbehindert sind, im Haushalt ihrer Eltern leben und dort gepflegt werden. Rechnet man den Kindern das Kindergeld als Einkommen zu, wäre die Grundsicherungsleistung faktisch immer um den Kindergeldbetrag zu reduzieren. Weist man das Kindergeld dagegen ihren Eltern zu, muss die Grundsicherung ungekürzt gezahlt werden (Grupp/Wrage, SGb 2005 S. 439). Zwar sieht § 82 Abs. 1 Satz 2 das Kindergeld als Einkommen des Kindes an, soweit es benötigt wird, um dessen Lebensunterhalt zu decken. Die Vorschrift bezieht sich aber nur auf minderjährige Kinder und kann schon deshalb bei Grundsicherungsberechtigten nicht herangezogen werden, weil sie das 18. Lebensjahr vollendet haben müssen und deshalb stets volljährig sind (OVG Niedersachsen, Urteil v. 30.9.2004, 12 LC 144/04, ZFSH/SGB 2004 S. 678 = info also 2004 S. 269; Quambusch, ZFSH/SGB 2006 S. 259, 260).
Rz. 8
Eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 1 Satz 2 scheidet aus, weil eine planwidrige Regelungslücke fehlt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift eindeutig die Armut von Kindern abwenden (BT-Drs. 15/1514 S. 65; BVerwG, Urteil v. 28.4.2005, 5 C 28/04, Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nr. 41 = NJW 2005 S. 2873, 2874 = NDV-RD 2005 S. 95, 96 = DVBl 2005 S. 1329, 1330 = DÖV 2006 S. 78 = FEVS 57 S. 499, 500), während er die Armut Volljähriger mit der Grundsicherung selbst bekämpft (Grupp/Wrage, SGb 2005 S. 439, 440).
Rz. 9
Ein Umkehrschluss aus § 82 Abs. 1 Satz 2 ist ebenfalls nicht möglich. Er hätte zur Folge, dass bei volljährigen Kindern das Kindergeld niemals auf das eigene Einkommen anzurechnen wäre. Diese Auslegung ließe jedoch unberücksichtigt, dass das Kindergeld auch direkt an die Kinder ausgezahlt werden kann (vgl. § 1 Abs. 2 BKGG, § 74 Abs. 1 EStG). In diesen Fällen ist das Kindergeld aber eindeutig Einkommen des Kindes (so zutreffend Grupp/Wrage, SGb 2005 S. 439, 440). Sachgerecht erschein...