0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 5 des Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191) mit Wirkung zum 1.1.2017 neu eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Seit dem 1.1.2017 haben 5 Pflegegrade die bisherigen 3 Pflegestufen abgelöst. Da durch das PSG III ein weitgehender Gleichklang zwischen Hilfe zur Pflege und SGB XI hergestellt werden sollte, entsprechen die in § 61b geregelten Pflegegrade denen in § 15 Abs. 3 Satz 4 SGB XI. Hinsichtlich der Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit verweist § 61b Satz 1 auf § 62, der wiederum ins SGB XI verweist. Anders als § 15 SGB XI enthält § 61b nur die Definition der 5 Pflegegrade und nicht auch die Beschreibung der Ermittlung der Gesamtpunkte.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Das Gesetz definiert in § 61 Abs. 1 Satz 1 die 5 Pflegegrade folgendermaßen:
Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte),
Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte),
Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte),
Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkte),
Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (ab 90 bis 100 Gesamtpunkte).
Rz. 4
Ab einem Gesamtpunktwert von 12,5 liegt demnach Pflegegrad 1 vor. Bei Vorliegen eines niedrigeren Punktwertes können keine Leistungen der Hilfe zur Pflege gewährt werden. Dann kommen allenfalls andere Leistungen der Sozialhilfe, wie z. B. die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts gemäß § 70 in Frage. Diese Vorschrift wurde infolge der Neufassung des 7. Kapitels zum 1.1.2017 ebenfalls geändert, so dass nunmehr auch Alleinstehende Anspruch auf Leistungen zur Weiterführung des Haushalts haben. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Neuregelung trotz des Wegfalls der Öffnungsklausel in § 61 Abs. 1 a. F. keine Verschlechterung bedeutet. Durch die Festlegung der Schwelle zum Pflegegrad auf (lediglich) 12,5 Punkte würden auch Menschen mit nur (relativ) geringen Einschränkungen der Selbstständigkeit und Fähigkeiten erfasst. Nach Schätzung des BMG erhalten im neuen Pflegegrad 1 rund 500.000 Menschen erstmals Leistungen der Pflegeversicherung (BMG, Gesundheit und Pflege Aktuell, Ausgabe 1/2017 S. 1). Ob die Leistungen der Hilfe zur Pflege nach Inkrafttreten der Neuregelung und Wegfall der Öffnungsklausel tatsächlich in jedem Fall bedarfsdeckend sind bzw. welche anderen Leistungen der Sozialhilfe im Einzelfall alternativ in Betracht kommen, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. In Betracht kommen dürften – abhängig vom jeweiligen Einzelfall – neben den in § 70 geregelten Leistungen auch eine abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27a Abs. 4, Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 73 oder unter Umständen auch Leistungen nach §§ 67, 71. Die (eingeschränkten) Leistungen für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 ergeben sich aus § 63 Abs. 2 und umfassen Pflegehilfsmittel (§ 64d), Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds (§ 64e) sowie einen Entlastungsbetrag (§ 66).
Rz. 5
Ab einem Punktwert von 27 liegt Pflegegrad 2 vor. Für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 ergeben sich die möglichen Leistungen aus § 63 Abs. 1. Ab dem Schwellenwert von 27 Punkten erhalten Pflegebedürftige demnach uneingeschränkte Leistungen der Hilfe zur Pflege. Von Pflegegrad 3 ist ab einem Gesamtpunktwert von 47,5 auszugehen. Pflegegrad 4 setzt eine Punktzahl von mindestens 70 Punkten voraus. Ab 90 Gesamtpunkten liegt schließlich Pflegegrad 5 vor. Die maximale Punktzahl beträgt 100.
Rz. 6
Abs. 2 enthält eine Härtefallvorschrift, die der des § 15 Abs. 4 SGB XI entspricht. Sie ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen und aus pflegefachlichen Gründen auch dann eine Einstufung von Pflegebedürftigen in den Pflegegrad 5, wenn der nach Abs. 1 Nr. 5 maßgebliche Schwellenwert von 90 Gesamtpunkten von diesen nicht erreicht wird. Dies setzt nach dem Gesetz bei den betroffenen Pflegebedürftigen besondere Bedarfskonstellationen und das Vorliegen eines spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarfs mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung voraus. Dies ist nach der Gesetzesbegründung im Falle einer Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und beider Beine anzunehmen. Die BRi 2017 gehen hiervon – unabhängig von der Ursache – beim vollständigen Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktionen aus (vgl. BRi, Stand Juli 2017 unter 4.9, F 4.1.6).
3 Literatur und Rechtsprechung
Rz. 7
Marburger, Neue Begutachtungs-Richtlinien in der Pflegeversicherung, SuP 2016 S. 547.
ders., Die Auswirkungen des Pflegestärkungsgesetz III, Behindertenrecht 2017 S. 58.
Schmidt, Das Dritte Pflegestärkungsgesetz, NZS 2017 S. 207.
Rz. 8
SG Aachen, Beschluss v. 11.5.2017, S 20 SO 68/17 ER.