0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 5 des Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191) mit Wirkung zum 1.1.2017 neu eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Bei der häuslichen Pflegehilfe handelt es sich gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) um eine Form der häuslichen Pflege. Sie ist – im Gegensatz zur häuslichen Pflege in Form des Pflegegeldes – eine ambulante Pflegesachleistung (die Ausgestaltung als Sachleistung verneinend: Klie, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 07/2018, § 64b Rz. 3). Die Vorschrift ist an § 36 SGB XI in der seit dem 1.1.2017 geltenden Fassung angelehnt, weicht in ihrem Wortlaut aber zum Teil erheblich von diesem ab (vgl. hierzu Klie, a. a. O., Rz. 3, 4).
Rz. 3
Auch die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe werden gemäß § 64b Abs. 1 Satz 1 nur an Pflegebedürftige mit mindestens Pflegegrad 2 erbracht. Inwieweit der Ausschluss von Pflegebedürftigen ohne Pflegegrad oder „lediglich“ mit Pflegegrad 1 nach Wegfall der in § 61 a. F. enthaltenen Öffnungsklausel dazu führt, dass die pflegerische Versorgung dieser Personen nicht mehr gedeckt ist, wird die Zukunft zeigen.
Rz. 4
Grundsätzlich, nämlich unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 bis 6, ist die häusliche Pflegehilfe als ambulante Leistung vorrangig vor stationären Leistungen.
2 Rechtspraxis
Rz. 5
§ 64b Abs. 1 Satz 1 enthält die Legaldefinition der häuslichen Pflegehilfe. Kann die häusliche Pflege nach § 64 nicht durch Pflegegeld sichergestellt werden – wird sie also nicht oder nicht vollständig durch die der pflegebedürftigen Person nahestehenden Personen oder als Nachbarschaftshilfe übernommen –, haben Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 gemäß § 64b Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Pflegesachleistung (häusliche Pflegehilfe). Die Vorschrift trägt dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff Rechnung, indem neben den körperbezogenen Pflegemaßnahmen auch die genannten Betreuungs- und Entlastungsleistungen aufgeführt werden. Letztere wurden bisher nur zusätzlich und auch nur für Versicherte erbracht (vgl. BT-Drs. 18/9518 S. 93).
Rz. 6
Gemäß Abs. 1 Satz 2 umfasst der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe auch die pflegefachliche Anleitung von Pflegebedürftigen und Pflegepersonen. Dies erklärt sich insbesondere vor dem Hintergrund der im Rahmen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs gebotenen Berücksichtigung der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit, die auch Hilfen bei der Anleitung, Motivation und Schulung von Pflegebedürftigen und Pflegepersonen erfordert. Diese Art der pflegefachlichen Anleitung soll laufend und situationsbezogen im Rahmen der häuslichen Pflegehilfe stattfinden und den Pflegebedürftigen sowie die Pflegeperson darin unterstützen, auch in Zeiten der Abwesenheit der Pflegekräfte pflegerelevante Situationen gut bewältigen zu können (vgl. BT-Drs. 18/6688 S. 140 zu § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB XI).
Rz. 7
Satz 3 stellt klar, dass mehrere Leistungsberechtigte der Pflegegrade 2 bis 5 die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe auch gemeinsam in Anspruch nehmen können. Dies wird als "Poolen" bezeichnet. Die Vorschrift entspricht § 36 Abs. 4 Satz 4 SGB XI in der seit dem 1.1.2017 geltenden Fassung. Hintergrund der (Vorgänger-)Vorschrift im SGB XI war der Gedanke des Gesetzgebers, dass – wenn mehrere Pflegebedürftige in einer Wohngemeinschaft, einem Gebäude oder in der Umgebung, etwa in einer Straße, "gepoolte" Leistungen in Anspruch nehmen – Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen werden können (BT-Drs. 16/7439 S. 54). Die hierdurch insbesondere entstehenden Zeit- und Kosteneinsparungen sind – jedenfalls was das Recht der sozialen Pflegeversicherung angeht – ausschließlich im Interesse der Pflegebedürftigen zu nutzen. Die frei werdende Zeit soll von dem ambulanten Pflegedienst auch für Betreuung der am "Pool" beteiligten Pflegebedürftigen genutzt werden. Fraglich ist, ob dieser Effekt so auch im Rahmen des § 64b erzielt werden kann, oder ob die in diesem Zusammenhang durch das "Poolen" erzielten Synergieeffekte nicht vielmehr nur den Sozialhilfeträger entlasten (so Kramer/Höfer, in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 64b Rz. 9). Durch das „Poolen" von Leistungen kommt es nicht zu einer Vermehrung der Individualansprüche (vgl. Wahl, in: Udsching/Schütze, SGB XI, § 36 Rz. 27).
Rz. 8
Gemäß Satz 4 kann häusliche Pflegehilfe auch Betreuungs- und Entlastungsleistungen durch Unterstützungsangebote i. S. d. § 45a SGB XI umfassen. §64i, also der Anspruch von Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2 bis 5 auf einen Entlastungsbetrag, bleibt hiervon unberührt.
Rz. 9
Abs. 2 konkretisiert die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen. Die Aufzählung der von den pflegerischen Betreuungsmaßnahmen umfassten Unterstützungsleistungen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld in Abs. 2 ist nicht abschließend. Als "insbesondere umfas...