Rz. 3
Möglicher Anspruchsberechtigte nach § 74 ist diejenige natürliche Person mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB XII, die zivil- oder öffentlich-rechtlich verpflichtet (nicht: berechtigt) ist, die Kosten der Bestattung eines inländischen Verstorbenen zu tragen (BSG, Urteile v. 29.9.2009, B 8 SO 23/08 R, und v. 25.8.2011, B 8 SO 20/10 R), also vorrangig der Erbe (BVerwG, Urteil v. 5.6.1997, 5 C 13/96, FEVS 48 S. 1; OVG Nordrhein-Westfalen, FEVS 48 S. 446; OVG Schleswig-Holstein, FEVS 51 S. 231). Für Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland gilt der Leistungsausschluss nach § 24 Abs. 1 Satz 1. Auch für inländische Leistungsberechtigte, die Kosten aufgrund eines Todesfalls außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs des SGB XII zu tragen haben, greift § 74 nach seinem Sinn und Zweck als Sozialhilfevorschrift nur ausnahmsweise und grundsätzlich nur dann ein, wenn auch die verstorbene Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuvor im Bundesgebiet hatte (dann allerdings können auch Rückführungskosten aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG bei Tod eines nächsten Familienangehörigen i. S. d. § 56 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB I erstattungsfähig sein). Verpflichteter i. S. d. § 74 ist nicht, wer nur Veranlasser bzw. Auftraggeber der Bestattung ist, auch wenn er damit regelmäßig gegenüber dem Bestattungsunternehmen eine Zahlungsverpflichtung eingeht (BSG, Urteil v. 25.8.2011, B 8 SO 20/10 R; BVerwG, FEVS 48 S. 1; OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 18.3.1999, 1 L 37/98, juris).
Rz. 4
Das bedeutet: Ist kein solcher Verpflichteter vorhanden, hat der Träger der Sozialhilfe nichts mit den Beerdigungskosten zu tun (a. A. Linhart/Adolph/Gröschel-Gundermann, BSHG, Stand April 2004, § 15 Rz. 7, die meinen, der Träger der Sozialhilfe müsse wegen der kurzen Bestattungsfrist vorleisten; ebenso wohl auch Birk, in: LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 15 Rz. 9; hierzu vgl. Rz. 17 f.). Die Bestattungskosten müssen dann (ggf. vorläufig im Wege der Ersatzvornahme bzw. der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag) von der örtlichen Ordnungsbehörde getragen werden (vgl. Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002 S. 917).
2.2.1 Zivilrechtlich Totensorge-Verpflichtete
Rz. 5
Wer Erbe geworden ist, wird nach Zivilrecht, einschließlich des internationalen Privatrechts, festgestellt. Eine etwaige Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I ist dabei irrelevant, da diese nur Leistungen i. S. d. § 11 SGB I erfasst (Mrozynski, SGB I, 3. Aufl. 2003, § 56 Rz. 2). Ist deutsches Zivilrecht anwendbar, sind der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft (§ 1968 BGB) bzw. nachrangig zu diesen die Unterhaltspflichtigen (§ 1615 Abs. 2, § 1360a Abs. 3, § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB; § 1615m BGB) zu standesgemäßer Bestattung des Verstorbenen verpflichtet. Bei einer Mehrheit von Erben ist Verpflichteter jeder (Mit-)Erbe, wenn und soweit er Forderungen nach § 1968 BGB ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil v. 13.3.2003, 5 C 2/02, FEVS 54 S. 490). Bei streitigem oder komplexem Sachverhalt (bei Auslandsberührung, bei ungeklärten Verwandtschaftsverhältnissen, Streit über die Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen etc.) sollte der Träger der Sozialhilfe die Vorlage eines Erbscheins verlangen, weil dann zu seinen Gunsten die Vermutungswirkung des § 2366 BGB auch bezüglich des Anspruchs aus § 74 eingreift. Ansonsten leistet der Träger der Sozialhilfe auf eigenes Risiko an einen – vermeintlichen – Erben und kann unter Umständen vom wahren Erben nochmals in Anspruch genommen werden. Die Erteilung des Erbscheins ist zu Zwecken des Sozialrechts kostenfrei, § 107a Abs. 2 Kostenordnung. Ein ausländischer Erbschein kann gemäß § 16a FGG im Anerkennungsverfahren überprüft werden.
2.2.2 Öffentlich-rechtlich Totensorge-Verpflichtete
Rz. 6
Nach öffentlichem Recht kann insbesondere der Verpflichteter sein, der nach den landesrechtlichen Vorschriften zur Bestattung verpflichtet ist. Dies ist dann möglich, wenn die bereits genannten vorrangig Verpflichteten nicht für die Bestattung einstehen müssen, weil z. B. der Erbe die Erbschaft ausgeschlagen oder auf den Nachlass beschränkt hat. Wer in Erfüllung einer solchen öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht eine Bestattung veranlasst und deshalb Bestattungskosten zu tragen hat, kann Berechtigter i. S. d. § 74 sein (BVerwG, Urteil v. 22.2.2000, 5 C 8.00, juris). Für die Kostenerstattung eines Pflegekindes gilt § 89a SGB VIII als Spezialnorm (dazu Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht, JAmt 2001 S. 87). Auch für als Notfallhelfer durch Unfall Verstorbene greift eine spezielle Regelung (dazu Winter, SGb 2004 S. 218). Nicht i. S. d. § 74 zur Bestattung verpflichtet sind der Heimträger, der Träger eines Krankenhauses und der Fiskus (Wenzel, in: Fichtner, BSHG, 2. Aufl. 2003, § 15 Rz. 3), ebenso wenig der Betreuer, da das Betreuungsverhältnis mit dem Tode endet (Kunz, a. a. O., § 15 Rz. 4).