2.4.1 Überschreiten der Ortsüblichkeit
Rz. 14
Die Norm erfasst nur die Bestattungskosten selbst. Zu übernehmen sind im Sinne eines Zurechnungszusammenhangs, aber auch nach dem Wortlaut, deshalb nur die Kosten, die unmittelbar der Bestattung (unter Einschluss der ersten Grabherrichtung) dienen bzw. mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind, nicht jedoch solche für Maßnahmen, die nur anlässlich des Todes entstehen, also nicht final auf die Bestattung selbst ausgerichtet sind (etwa Todesanzeigen, Danksagungen, Leichenschmaus, Anreisekosten, Bekleidung; vgl. BSG, Urteil v. 25.8.2011, B 8 SO 20/10 R). Nicht zu den übernahmefähigen Bestattungskosten zählen damit auch die nach der Bestattung anfallenden Kosten für die Grabpflege (BSG, Beschluss v. 24.2.2016, B 8 SO 103/15 B). Bestattungskosten sind mithin von vornherein all die Kosten, die aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften resultierend notwendigerweise entstehen, damit die Bestattung überhaupt durchgeführt werden kann oder darf, sowie die, die aus religiösen Gründen unerlässlicher Bestandteil der Bestattung sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist eine zeitliche Grenze zu beachten (so BSG, a. a. O.): Die Kosten müssen aus Maßnahmen oder Handlungen vor oder bis zum Ende des Bestattungsvorgangs erwachsen (damit etwa auch der nach der Bestattung gesetzte Grabstein). Der Gesetzgeber hat, um die sozialhilferechtliche Verpflichtung der Solidargemeinschaft der Steuerzahler zu begrenzen, bewusst nicht auf die gesamten sich aus dem Sterbefall ergebenden Kosten abgestellt. Hierbei muss § 74 funktionsdifferent gegenüber den Vorschriften des BGB bzw. den ordnungsrechtlichen Vorschriften über eine Bestattungspflicht ausgelegt werden; denn die zivilrechtlichen Vorschriften orientieren sich – anders als § 74 – mehr oder minder am individuellen Lebensstandard des Verstorbenen vor dessen Tod.
2.4.2 Kosten ritueller Handlungen
Rz. 15
Bezüglich der Kosten ritueller Handlungen, wie z. B. die Gebühren für einen Geistlichen, rituelle Waschungen und dgl. dürfte eine sozialhilferechtliche Übernahme aus Gründen der Gleichbehandlung und der religiösen Neutralität im säkularen Staat grundsätzlich nicht in Betracht kommen (BVerwG, NDV 1961 S. 179, anders VG Berlin, Entscheidung v. 3.11.1992, 8 A 286.89, NVwZ 1994 S. 617, wobei das Gericht davon ausging, dass dies nicht zu Mehrkosten gegenüber anderen Beerdigungen führt; a. A. auch Spranger, a. a. O.; Wenzel, a. a. O., Rz. 5; differenzierend Britz, JZ 2000 S. 1127). Das gilt für christliche im gleichen Maße wie für nicht christliche Bekenntnisse, aber auch für Kosten, die sich aus religiöser oder atheistischer Haltung ergeben können (Kosten eines sog. Trauerredners). Auch die Überführungskosten eines islamischen Gläubigen ins Ausland sind nicht erstattungsfähig, weil (mittlerweile) innerhalb des Geltungsbereichs des SGB XII bzw. im grenznahen EU-Ausland eine Beerdigung nach islamischem Ritus möglich und üblich ist (OVG Nordrhein-Westfalen, FEVS 42 S. 27; anders noch OVG Hamburg, NJW 1992 S. 3118). Allerdings hat das VG Hannover entschieden, dass eine – teurere – jüdische Bestattung auf dem jüdischen Friedhof erforderlich sei, wenn der Verstorbene glaubensgebunden gelebt habe (Urteil v. 23.4.2004, 7 A 4014/03, ZfF 2006 S. 16).