Rz. 10
Abs. 2 Satz 1 zählt die begünstigten Maßnahmen erschöpfend auf. Werden (gleichzeitig) andere, nichtbegünstigte Maßnahmen durchgeführt, greift die Privilegierung des Abs. 2 Satz 1 nur für die dort genannten Maßnahmen. Sämtlichen in Abs. 2 genannten Privilegierungsfällen ist gemeinsam, dass sie einen spezifischen Förderbedarf und eine entsprechende Förderung voraussetzen, zu dem die vermögens- und einkommensprivilegierte Hilfe einen (objektiv) finalen Bezug dergestalt aufweisen muss, dass der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistung nicht allein oder vorrangig bei der allgemeinen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sondern zumindest gleichwertig bei den von ihnen verfolgten beruflichen, schulischen, ausbildungsbezogenen und medizinischen Zielen liegt (BSG, Urteil v. 20.9.2012, B 8 SO 15/11, Rz. 18). Auch im Rahmen des Abs. 2 gelten die Regelungen der §§ 85 ff., d. h. es kann nur ein zumutbarer Kostenbeitrag gefordert werden. § 92 Abs 2 schafft keine außerhalb der allgemeinen Einkommensgrenzen stehende Sonderregelung (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.9.2009, L 8 SO 154/07, Rz. 23). Für die Anwendung der Privilegierungen kommt es grundsätzlich darauf an, welche Leistungen von dem Sozialhilfeträger bestandskräftig bewilligt worden sind (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 15.4.2010, L 23 SO 277/08, Rz. 49). Sind z. B. in einer Tageseinrichtung von der bestandskräftigen Bewilligung lediglich Leistung zur Teilnahme an der Gemeinschaft erfasst und ausdrücklich nicht Leistungen zur Eingliederung im Arbeitsleben, ist dies für die Beurteilung der Frage, ob eine Privilegierung nach Abs. 2 vorliegt, bindend, und zwar unbeschadet der Frage, welche Leistungen tatsächlich erbracht werden; es muss dann zunächst die zugrunde liegende Bewilligung der privilegierten Leistung herbeigeführt werden.
2.2.2.1 Heilpädagogische Maßnahmen (Abs. 2 Nr. 1)
Rz. 11
Es handelt sich um Maßnahmen im frühen Kindesalter vor Beginn der allgemeinen Schulpflicht, die auch erbracht werden, wenn abzusehen ist, dass ein späterer Schulbesuch nicht möglich sein wird . Heilpädagogische Leistungen sollen drohende Behinderungen abwenden, den fortschreitenden Verlauf einer Behinderung so früh wie möglich stoppen bzw. verlangsamen und die Behinderungsfolgen beseitigen oder mildern (vgl. hierzu § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Dem Kind soll eine möglichst eigenständige Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden. Der Begriff der heilpädagogischen Maßnahme ist weit auszulegen (Lippert, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 92 Rz. 19).
2.2.2.2 Hilfen zur angemessenen Schulbildung (Abs. 2 Nr. 2)
Rz. 12
Hierzu gehören alle schulbegleitenden Maßnahmen (Nachhilfe- oder Sonderunterricht, Fahrtkosten, Internatsunterbringung), insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1). Zur Vorbereitung zählt z. B. der Besuch eines Sonderschulkindergartens. Während des Schulbesuchs können vor allem Integrationshelfer zum Einsatz kommen, die körperlich behinderten Schülern Hilfestellung gewähren.
Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es insbesondere, die Eltern behinderter Kinder mit den Eltern nichtbehinderter Kinder wirtschaftlich gleichzustellen, damit ihnen durch eine angemessene Schulbildung ihrer Kinder keine höheren Kosten entstehen als den anderen Eltern (BVerwG, Urteil v. 22.5.1975, 5 C 19.74, Rz. 27). Der Sozialhilfeträger kann Hilfebedürftige im Rahmen des Nachranggrundsatzes auch nicht auf Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern verweisen, da dies den Zweck der Regelung konterkarieren würde (vgl. BSG, Urteil v. 22.3.2012, B 8 SO 15/11 R, Rz. 27; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 9.1.2013, L 23 SO 296/12 B ER, Rz. 12). Auch können Hilfebedürftige nicht auf (vermeintliche) Ansprüche gegen die Schule verwiesen werden (z. B. auf Bereitstellung eines schuleigenen Integrationshelfers), so lange entsprechende Hilfen nicht tatsächlich von der Schule gewährt werden (vgl. BSG, Urteil v. 22.3.2012, B 8 SO 15/11 R, Rz. 25; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 9.1.2013, L 23 SO 296/12 B ER, Rz. 11). Die Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer zur Teilnahme am Sportunterricht ist eine privilegierte Maßnahme, wenn der Hilfebedürftige ohne die Unterstützung nicht in der Lage wäre, am Sportunterricht teilzunehmen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 18.1.2017, L 15 SO 355/16 B ER, Rz. 5). Die Wahrnehmung von außerschulischen Freizeitangeboten ist von der Vorschrift nicht umfasst, weshalb etwa die Teilnahme am Konfirmandenunterricht nicht zu den privilegierten Leistungen zählt (LSG Niedersachsen Bremen, Urteil v. 25.2.2016, L 8 SO 52/14, Rz. 26). Bei der Übernahme von Kosten für einen Integrationshelfer zum Besuch einer offenen Ganztagsschule (OGS) bedarf es eines objektiv-finalen Bezugs zwischen der Teilnahme an den Angeboten dieser Schule und dem Besuch der Regelschule (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 7.11.2016, L 20 SO 482/14, Rz. 62 f.). Maßgeblich ist in erster Linie, ob die Hilfe den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht erleichtert ...