0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Rechtsvorschrift fußt auf dem Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254). Inhaltlich entspricht die Bestimmung in Teilen dem früheren § 724 Abs. 1 RVO. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz – UVMG) v. 30.10.2008 (BGBl. I S. 2130) wurde Abs. 1 Satz 2 mit Wirkung zum 1.1.2010 geändert. Abs. 3 ist mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 3057) mit Wirkung zum 1.1.2012 angefügt worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift beschreibt das Verfahren für die Erhebung der Umlage. Danach werden die Beiträge nicht wie diejenigen für die übrigen Zweige der Sozialversicherung durch die Krankenkassen, sondern durch die Unfallversicherungsträger selbst eingezogen. Dies erfolgt jährlich. Für die Erhebung der Beiträge regelt das Gesetz für die Unfallversicherungsträger ein Umlageverfahren, das sich an der nachträglichen Bedarfsdeckung für das abgelaufene Kalenderjahr zu orientieren hat. Der für das abgelaufene Kalenderjahr ermittelte Finanzierungsbedarf umfasst ggf. einen erhöhten Geldbedarf für die gesetzlich vorgesehene Verpflichtung des Unfallversicherungsträgers, durch Kapitalbildung seine Liquidität nicht nur kurzfristig sicherzustellen (vgl. dazu Rz. 3). Auch diese dafür notwendigen Geldmittel fließen in den Beitragsbescheid mit ein.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
In der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung werden die Beiträge aus dem Beitragssatz und dem beitragspflichtigen Einkommen ermittelt. In Abweichung davon ist in der Unfallversicherung das Umlagesoll für die Beitragsberechnung maßgeblich. Das Umlagesoll setzt sich primär aus den Ausgaben für die gesetzlichen Aufgaben der Berufsgenossenschaften zusammen. Dieser Finanzbedarf resultiert somit insbesondere aus den Aufwendungen für die Prävention, die Rehabilitation sowie die Kompensation von Versicherungsfällen in der gesetzlichen Unfallversicherung. Weiterer Finanzbedarf resultiert aus dem Verwaltungsaufwand und den Verfahrenskosten, die mit Erfüllung der zuvor genannten gesetzlichen Aufgaben verbunden sind.
Aufgrund des Umlageprinzips der nachträglichen Bedarfsdeckung ist eine Vorfinanzierung der Ausgaben für das laufende Kalenderjahr erforderlich. Je nach Höhe der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsaufwendungen sowie des Umfanges der Verwaltungskosten kann es im Haushaltsjahr zu Einnahme- und Ausgabeschwankungen kommen. Damit dem Anliegen des Gesetzgebers, möglichst die Beiträge stabil zu halten, Rechnung getragen werden kann, müssen Einnahme- und Ausgabeschwankungen im Haushaltsjahr mithilfe kurzfristig verfügbarer Mittel ausgeglichen werden können. Darum haben die Berufsgenossenschaften kurzfristig verfügbare Geldreserven bereitzuhalten. Bereitzuhalten bedeutet, diese Finanzreserven, die sog. Betriebsmittel gemäß §172, liquide anzulegen. Liquide ist eine Vermögensanlage, wenn Sie kurzfristig aufgelöst werden kann und die angelegten Gelder damit umgehend verfügbar werden (BSG, SGb 2007 S. 109). Folglich sind Einnahmen, die der Zuführung zu den Betriebsmitteln dienen, Bestandteile des Umlagesolls.
Rücklagen nach § 172a sowie Altersrückstellungen i. S. v. § 172c fließen ebenso in die Umlage ein. Ist trotz Einsatzes von Betriebsmitteln die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Berufsgenossenschaft gefährdet, hat diese auf die von ihr zu bildende Rücklage zurückzugreifen. Die Rücklage ist im Gegensatz zu den Betriebsmitteln eine mittel- und langfristige Geldanlage. Hinsichtlich der rechtlich möglichen und zulässigen Anlageformen wird auf § 83 SGB IV verwiesen. Altersrückstellungen dienen der Versorgung der bei den Unfallversicherungsträgern Beschäftigten.
Abschließend sind die Unfallversicherungsträger angehalten, im Rahmen der Umlage ihre Verpflichtung zum Lastenausgleich gemäß §§ 176 ff. sicherzustellen. Mit dem Lastenausgleich verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, alte Rentenlasten einzelner gewerblicher Berufsgenossenschaften auf alle gewerblichen Berufsgenossenschaften zu verteilen, soweit die Lasten aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Struktur des jeweiligen Gewerbezweiges die für diesen Zweig zuständige Berufsgenossenschaft finanziell überfordern. Die Bestimmung soll die Solidarität zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften fördern.
All die genannten Aufwendungen werden nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres auf die beitragspflichtigen Unternehmer nach einem bestimmten Schlüssel umgelegt. Einnahmen des Unfallversicherungsträgers, etwa aus Regressansprüchen nach § 116 SGB X, § 110, Geldbußen nach §§ 209, 210, Zinsen oder Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV reduzieren das Umlagesoll.
Rz. 4
Gemäß Abs. 2 hat die Beitragserhebung für in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführte Bauarbeiten außerhalb der Umlage zu erfolgen. Nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten sind diejenigen, die nicht auf Dauer angelegt sind und außerhalb eines gewerbsmäßigen Baubetriebs ausgeführt werden (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 728 (RVO...