0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Bestimmung geht im Wesentlichen auf das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. S. 1254) zurück. Sie ersetzt die früheren §§ 730, 731 Abs. 1 und 2, §§ 875 und 876 Abs. 1 und 2 RVO.
Abs. 1 Satz 3 wurde mit Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz – UVMG) v. 30.10.2008 (BGBl. I S. 2134) mit Wirkung zum 27.1.2010 modifiziert. Mit dem gleichen Gesetz ist Abs. 6 gestrichen worden.
Abs. 1 Satz 3 erfuhr eine weitere Änderung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 5.8.2010 (BGBl. I S. 1127) mit Wirkung zum 11.8.2010.
Durch Art. 6 Nr. 9 des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz – BUK-NOG) v. 19.10.2013 (BGBl. I S. 3836) ist Abs. 1 Satz 2 mit Wirkung zum 1.1.2016 redaktionell angepasst worden.
Gültig ist die Vorschrift i. d. F. vom 30.7.2014 ab 1.1.2016.
1 Allgemeines
1.1 Inhalt der Regelung
Rz. 2
Abs. 1 Satz 1 regelt das allgemeine Satzungsrecht des Unfallversicherungsträgers im Hinblick auf den Gefahrtarif. Abs. 1 Satz 2 sieht die Pflicht zur Feststellung von Gefahrklassen zur Abstufung der Beiträge vor. Abs. 1 Satz 3 begründet eine Sonderzuständigkeit für die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation bei Unternehmen der Seefahrt.
Rz. 3
Abs. 2 Satz 1 beinhaltet eine Regelung zur Gliederung des Gefahrtarifs. Abs. 2 Satz 2 sieht insoweit eine Sonderregelung für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten vor.
Rz. 4
Abs. 3 sieht die Berechnungsregel für den Gefahrtarif vor.
Rz. 5
Abs. 4 Satz 1 schreibt eine zwingende Satzungsregelung für fremdartige Nebenunternehmen vor. Abs. 4 Satz 2 verpflichtet zur Beachtung der Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden.
Rz. 6
Abs. 5 schließlich regelt die Höchstgeltungsdauer des Gefahrtarifs.
1.2 Normzweck
Rz. 7
Die Vorschrift zum Gefahrtarif ist Ausdruck des Prinzips der risikogerechten Beitragsdifferenzierung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie benennt die Kriterien, die in dem Gefahrtarif zu berücksichtigen sind. Er verfolgt den Zweck, das Unfallrisiko in den Unternehmen angemessen bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen. Durch den Gefahrtarif werden die Risikounterschiede zwischen den Gewerbezweigen berücksichtigt.
Rz. 8
Der Gefahrtarif dient der Abstufung der Beiträge nach den unterschiedlichen Unfall- und Berufskrankheitengefahren.
Rz. 9
Sinn der Höchstlaufzeit von 6 Jahren nach Abs. 5 ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zu schaffen zwischen Beitragskontinuität und Berücksichtigung der tatsächlichen Gefährdungsrisiken.
1.3 Vorgängervorschriften
Rz. 10
Vorgängervorschriften finden sich in §§ 730, 731 Abs. 1 und 2, §§ 875 und 876 Abs. 1 und 2 RVO.
1.4 Ergänzende bzw. korrespondierende Regelungen
Rz. 11
Korrespondierende Regelung ist zunächst § 33 Abs. 1 SGB IV mit seinen Regelungen über die Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers und dem Verwaltungsrat. Zur Definition des Begriffs "Nebenunternehmen" ist auf § 131 Abs. 2 Satz 3 zurückzugreifen. Außerdem ist zur Bestimmung des Beitragsfußes auf § 167 Abs. 2 abzustellen. Bei der Bestimmung des Kalenderjahres i. S. d. Haushaltsjahres bei der Bestimmung der Höchstlaufzeit des Gefahrtarifs ist weiter § 67 Abs. 1 SGB IV zu berücksichtigen.
2 Rechtspraxis
2.1 Gefahrtarif (Abs. 1)
2.1.1 Satzungsrecht
Rz. 12
Gemäß Abs. 1 Satz 1 setzt die Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers (vgl. § 33 Abs. 1 SGB IV) im Wege der Satzung (autonomes Recht) den Gefahrtarif fest. Die Vertreterversammlung ist regelmäßig die paritätisch mit Vertreterinnen und Vertretern der Mitglieder – also der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber – sowie der Versicherten aus den bei der Berufsgenossenschaft versicherten Branchen besetzt.
Rz. 13
Der Gefahrtarif ist ein wichtiger Baustein des umlagefinanzierten Beitragssystems der gesetzlichen Unfallversicherung. Er verfolgt den Zweck, das Unfallrisiko in den Unternehmen angemessen bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen. Durch den Gefahrtarif werden die Risikounterschiede zwischen den Gewerbezweigen berücksichtigt. Der Gefahrtarif ist i. S. d. Begriffs "Tarif" ein verbindliches Verzeichnis. Es handelt sich dabei um eine Tabelle der Risikogemeinschaften einer Berufsgenossenschaft.
Rz. 14
Nach Abs. 2 Satz 1 sind im Gefahrentarif des Unfallversicherungsträgers Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungspflichtigen Risikoausgleichs zu bilden (LSG Hamburg, Urteil v. 12.10.2022, L 2 U 6/22, mit Anm. von Schlaeger, jurisPR-SozR 6/2023 Anm. 3).
Rz. 15
Die Gefährdungsrisiken sind in den jeweiligen Gewerbezweigen unterschiedlich. Darum gilt es im Gefahrtarif nach Gefährdungsrisiken in den jeweiligen Gewerbezweigen zu differenzieren. Diese anhand der Unfallgefährlichkeit eingestuften Risikogemeinschaften bilden die Tarifstellen gemäß Abs. 2 Satz 1 (Näheres dazu vgl. Komm. zu Abs. 2 Satz 1). Jeder Tarifstelle ist eine Gefahrklasse zugeordnet. Die Gefahrklasse gibt den Grad der durchsch...