2.1.1 Rechtsnatur der Anordnungen
Rz. 3
Die Aufsichtspersonen sind gemäß Abs. 1 Satz 1 befugt, Anordnungen im Einzelfall zu erlassen. Es handelt sich um belastende Verwaltungsakte i. S. d. § 31 SGB X. Als Adressaten kommen Unternehmer und Versicherte, auch Unternehmer und Beschäftigte ausländischer Unternehmen in Betracht. Als Verwaltungsakte können die Anordnungen gemäß § 33 Abs. 2 SGB X schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise ergehen. Anordnungen können nach Maßgabe von § 66 SGB X vollstreckt werden. Außerdem löst das Zuwiderhandeln gegen eine vollziehbare Anordnung nach Abs. 1 gemäß § 209 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 einen Bußgeldtatbestand aus. Der Adressat einer Anordnung kann §§ 68 ff. VwGO als Rechtsbehelf Widerspruch einlegen. Da gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Rechtswegzuweisung nicht greift, ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet mit der Folge, dass für das Vorverfahren die Vorschriften der VwGO Anwendung finden.
Rz. 4
Gemäß Abs. 1 Satz 1 können die Aufsichtspersonen Anordnungen erlassen. Ihnen ist mithin bei der Frage, ob eine Anordnung ergehen soll, Entschließungsermessen und bei der Frage, welche Anordnung ergehen soll, Auswahlermessen eingeräumt. Ricke (in: KassKomm. SGB VII, § 19 Rz. 4a) interpretiert allerdings das "kann" im Wortlaut der Vorschrift als "Kompetenz-Kann". Angesichts klar geregelter Voraussetzungen und weil die Anordnung als belastender Verwaltungsakt auch Rechtsgrundlage für einen Bußgeldtatbestand bildet, sei kein Entschließungsermessen eingeräumt. Allerdings besteht auch nach dieser Auslegung ein Auswahlermessen (vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rz. 7).
2.1.2 Anordnungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Rz. 5
Anordnungen zur Erfüllung von Pflichten aufgrund der UVV nach § 15 kommen in Betracht, wenn Verstöße gegen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) festgestellt werden. Angesichts des Überwachungsauftrags der Unfallversicherungsträger nach § 17 Abs. 1 besteht für sie die Verpflichtung zum Tätigwerden; ein Auswahlermessen besteht dann jedenfalls nicht. Auswahlermessen kommt nur in Betracht, soweit die jeweilige UVV dies zulässt.
2.1.3 Anordnungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Rz. 6
Anordnungen zur Abwendung besonderer Unfall- und Gesundheitsgefahren setzen Gefahrenlagen voraus, bei denen keine UVV vorhanden sind. Gemeint sind spezifische Gefahrenlagen, aber nicht um besonders schwere Gefahren (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 19 Rz. 6; a. A. Eichendorf, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 19 Rz. 38; Kater/Leube, SGB VII, § 19 Rz. 9; Schmidt, SGB VII, § 19 Rz. 10) handeln. Dem Unfallversicherungsträger ist ein weites Ermessen eingeräumt bei der Beurteilung, wie die Gefahrenlage beschaffen sein muss und welcher Anordnung es bedarf.
2.1.4 Anordnungen nach Abs. 1 Satz 2
Rz. 7
Sofort vollziehbare Anordnungen setzen zum einen arbeitsbedingte Gefahren für Leben und Gesundheit voraus. Zum anderen muss Gefahr im Verzug bestehen, d. h., der Schadenseintritt muss unmittelbar drohen. Weiteres Abwarten würde zum Schadenseintritt führen. Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss die drohende Gefahr auch schwere Schädigungen erwarten lassen (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 19 Rz. 8). Das Entschließungsermessen dürfte angesichts dessen regelmäßig auf Null reduziert sein. Beim Auswahlermessen steht dem Unfallversicherungsträger hingegen ein Beurteilungsspielraum zu.
2.1.5 Anordnungen nach Abs. 1 Satz 3
Rz. 8
Anordnungen nach Abs. 1 und 2 gegen ausländische Unternehmen und Beschäftigte, die eine Tätigkeit im Inland ausüben, können nach Abs. 1 Satz 3 ergehen. Die Vorschrift verleiht die Anordnungsbefugnis für diese Gruppierung. Anordnungsbefugt sind sowohl der Unfallversicherungsträger, der nach deutschem Recht für das ausländische Unternehmen und dessen Versicherte zuständig wäre, als auch der für das Mitgliedsunternehmen, bei dem das ausländische Unternehmen und dessen Versicherte im Inland tätig sind. A maiore ad minus sind auch Überwachungs- und Beratungsmaßnahmen nach § 17 umfasst (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 19 Rz. 9).