0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist am 1.1.1997 mit dem UVEG in Kraft getreten. Sie entspricht im Wesentlichen dem bis zum 31.12.1996 geltenden § 100a SGB X. Die einzige Änderung zum 1.7.2001 betraf die Einfügung der "Maßnahmen der Teilhabe" in Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 durch das Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046). Die Überschrift sowie Abs. 2 und 3 wurden geändert durch Art. 128 Nr. 14 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) v. 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626) und mit Wirkung zum 26.11.2019 an die Begriffsbestimmungen in Art. 4 DSGVO angepasst.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift lässt es zu, bei Forschungsvorhaben mit personenbezogenen Daten Erkenntnisse über Berufskrankheiten sowie deren Prävention und die erforderliche Rehabilitation zu gewinnen. Dazu wird Ärzten und Angehörigen anderer Heilberufe erlaubt, den Unfallversicherungsträgern und deren Verbänden personenbezogene Daten zu übermitteln. Eine Pflicht der Ärzte zur Kooperation besteht hier – anders als nach den §§ 201 bis 203 – nicht; für Forschungsprojekte mit externen Daten, die nicht bereits bei den Unfallversicherungsträgern vorhanden sind, kommt es daher auf die Kooperationsbereitschaft der Ärzte an (Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: Dezember 2009, § 206 Rz. 8). Die Datensammlung "auf Vorrat" ist dadurch ausgeschlossen, dass es sich um ein konkretes und zu genehmigendes Forschungsvorhaben handeln muss (vgl. Schmitt, SGB VII, 3. Aufl. 2008, § 206 Rz. 4).
2 Rechtspraxis
Rz. 3
2.1 Befugnis der Ärzte und Angehörigen von Heilberufen zur Datenübermittlung
Rz. 3
Die Befugnis zur Übermittlung personenbezogener Daten an Unfallversicherungsträger oder deren Verbände ist gemäß Abs. 1 Satz 1 auf ein bestimmtes Forschungsvorhaben bezogen. Es muss sich um ein Forschungsvorhaben handeln, das der Erkennung neuer Berufskrankheiten, der Verbesserung der Prävention oder Maßnahmen zur Teilhabe bei Berufskrankheiten dient (C. Wagner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 206 Rz. 39; Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 206 Rz. 11). Die Befugnis können Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe, z. B. Pathologen, Zahnärzte, Apotheker, Heilpraktiker, Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpflegehelfer und Krankengymnasten (C. Wagner, a. a. O., Rz. 38) innehaben. Gemäß Abs. 1 Satz 2 besteht die Pflicht zur Unterrichtung der Versicherten über die übermittelten Daten und über den Zweck der Übermittlung.
2.2 Befugnis zur Datenverarbeitung
Rz. 4
Personenbezogene Datenverarbeitung durch Unfallversicherungsträger und ihre Verbände ist gemäß Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nur zur Durchführung eines bestimmten Forschungsvorhabens zulässig (1. Voraussetzung). Das Forschungsvorhaben muss die Erkennung neuer Berufskrankheiten oder die Verbesserung der Prävention oder der Maßnahmen zur Teilhabe bei Berufskrankheiten zum Ziele haben (2. Voraussetzung). Es muss zu diesem Zweck erforderlich sein (3. Voraussetzung). Dieser Zweck darf gemäß Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nicht auf andere Weise, insbesondere nicht durch Verarbeitung anonymisierter Daten, erreichbar sein (4. Voraussetzung). Vor der Durchführung des Forschungsvorhabens muss gemäß Abs. 2 Satz 2 die zuständige oberste Bundes- oder Landesbehörde die Verarbeitung der Daten für das Forschungsvorhaben genehmigt haben (5. Voraussetzung). Anschließend sind gemäß Abs. 2 Satz 3 die Bundesärztekammer und der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit anzuhören, in den übrigen Fällen die nach Landesrecht für die Kontrolle des Datenschutzes zuständige Stelle und die Ärztekammer des Landes (6. Voraussetzung).
2.3 Personelle, organisatorische und räumliche Trennung
Rz. 5
Gemäß Abs. 3 muss während der Durchführung des Forschungsvorhabens sichergestellt sein, dass keinem Beschäftigten, der an Entscheidungen über Sozialleistungen oder deren Vorbereitung beteiligt ist, die Daten, die für das Forschungsvorhaben verarbeitet werden, zugänglich sind oder von Zugriffsberechtigten weitergegeben werden. Gemäß Abs. 4 Satz 1 muss die organisatorische und räumliche Trennung der Durchführung des Forschungsvorhabens von anderen Aufgaben sichergestellt werden. Die übermittelten personenbezogenen Daten dürfen gemäß Abs. 4 Satz 2 nicht mit anderen Daten vermischt werden. Gemäß Abs. 4 Satz 3 sind die Sozialdaten zu anonymisieren, sobald dies nach dem Forschungs- oder Planungszweck möglich ist. Bis dahin sind die Merkmale gesondert zu speichern, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können.
2.4 Extern durchgeführte Forschungsvorhaben
Rz. 6
Nach Abs. 5 dürfen die Daten nur anonymisiert an das beauftragte Forschungsinstitut gegeben werden, wenn der Unfallversicherungsträger oder Verband nicht selbst die Forschungen vornimmt. Rückfragen sind – durch den Träger oder Verband – an den Arzt bzw. die Person nach Abs. 1 zu richten. Im Übrigen gelten die Vorschriften der Abs. 2 bis 4 auch bei Fremdvergabe des Forschungsvorhabens.