0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift gilt seit ihrem Inkrafttreten am 1.1.1997 in unveränderter Form und ersetzt und erweitert die entsprechende Regelung in der Vorläufervorschrift des § 714a RVO. Die Überschrift wurde mit Wirkung zum 26.11.2019 durch Art 128 Nr. 15 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) v. 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626) geändert und an die Begriffsbestimmungen in Art. 4 Nr. 2 DSGVO angepasst.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift stellt die Ermächtigungsgrundlage für die Speicherung von Daten dar, die nicht auf einzelne Personen und ihre Erkrankungen zugeschnitten sind, sondern ausgehend von bestimmten gefährdenden Stoffen und ihrer Verbreitung bzw. den sie verarbeitenden Betrieben eine Erfassung des Gefährdungspotentials ermöglicht. In der Vorschrift werden hierzu die Arten von Daten (Abs. 1) und die Empfänger der Daten (Abs. 2) näher eingegrenzt (vgl. BT-Drs. 13/2204 S. 119). Außerdem enthält die Vorschrift eine Regelung zum Schutz begründeter Unternehmensinteressen an der Vertraulichkeit einschlägiger Daten (Abs. 3).
Rz. 3
Nach § 70 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der für den Arbeitsschutz zuständigen staatlichen Behörden oder der Bergbehörden bei der Durchführung des Arbeitsschutzes erforderlich ist und schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden oder das öffentliche Interesse an der Durchführung des Arbeitsschutzes das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen erheblich überwiegt. Gegenüber dieser Vorschrift stellt § 207 für den Bereich der Unfallversicherung eine Spezialregelung dar, welche insbesondere für die Verhütung von Unfällen weitergehende Möglichkeiten eröffnet. Andere bzw. im Einzelfall weiter gehende Datenverwendungsmöglichkeiten der §§ 67 ff. SGB X sind neben § 207 anwendbar, weil die Vorschrift keine Einschränkung der allgemein eingeräumten Befugnisse bezweckt (vgl. BT-Drs., a. a. O.).
2 Rechtspraxis
Rz. 4
Abs. 1 erlaubt es den Unfallversicherungsträgern und ihren Verbänden, im Rahmen der Erforderlichkeit Daten zu Stoffen, Zubereitungen, Erzeugnissen sowie Betriebs- und Expositionsdaten zur Gefährdungsanalyse zu erheben, zu speichern, zu verändern, zu löschen und untereinander zu übermitteln; eingeschränkt ist dies in doppelter Hinsicht durch den Zweck der Verhütung von Versicherungsfällen und von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie den Grundsatz der Erforderlichkeit.
Rz. 5
Zu den Begriffen Erhebung, Speicherung usw. vgl. die Komm. zu § 199, ebenso für den Grundsatz der Erforderlichkeit. Der Grundsatz der Erforderlichkeit besagt im vorliegenden Zusammengang, dass die Datenverwendung in all den genannten Arbeitsschritten auf das Notwendige zu beschränken ist. Da die Verhütung eine konkrete gesetzliche Aufgabe ist, handelt es sich im Falle des Abs. 1 nicht um eine Datenerhebung und Datenspeicherung auf Vorrat.
Rz. 6
Abs. 2 erweitert die Übermittlungsbefugnis (nach Abs. 1 besteht diese ausschließlich "untereinander") der Unfallversicherungsträger und ihrer Verbände gegenüber den dort genannten Behörden: Das sind die für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden, also insbesondere die Gewerbeaufsichtsämter und Bergbehörden; die für den Vollzug des Chemikaliengesetzes zuständigen Behörden, das ist insbesondere die Bundesanstalt für Arbeitsschutz; die für den Vollzug des Rechts der Bio- und Gentechnologie zuständigen Behörden, hier insbesondere das Robert-Koch-Institut; außerdem auch Stellen nach Landesrecht.
Rz. 7
Nach Abs. 3 können Unternehmer durch konkrete Einsprüche erreichen, dass die Verbreitung bestimmter Daten auf die Unfallversicherungsträger, deren Verbände und die Landesbehörden begrenzt wird. Voraussetzung ist, dass der Unternehmer begründet (d. h. konkret im Einzelfall) nachweist, dass die weitere Verbreitung der Daten ihm betrieblich oder geschäftlich schaden könnte, und der Unternehmer die Qualifizierung der Daten in diesem Sinne beantragt hat.
Rz. 8
Das Einspruchsrecht von Unternehmen nach Abs. 3 gilt nicht für bereits zulässigerweise nach den § 67 ff. SGB X erhobene Daten, weil § 207 die Möglichkeiten der Datenverwendung bereichsspezifisch erweitern und nicht einschränken soll (vgl. Rz. 3).