Rz. 10
In Abs. 1 Nr. 2 kommt die Entgeltersatzfunktion des Verletztengeldes zum Ausdruck. Unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung muss ein Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem SGB II oder Mutterschaftsgeld bestanden haben. Auf die Dauer des Anspruchs kommt es nicht an. Es ist ausreichend, wenn die Arbeitsunfähigkeit direkt am ersten Arbeitstag eine halbe Stunde nach Arbeitsbeginn eintritt (BSG, Urteil v. 19.8.2003, B 2 U 46/02 R).
Rz. 10a
Unmittelbarkeit liegt auch dann vor, wenn der Anspruch bereits am Vortag bestanden hat, auch wenn dies der letzte Tag des Arbeitsverhältnisses war. Das BSG (Urteil v. 26.6.2007, B 2 23/06 R) legt den Begriff der Unmittelbarkeit dahingehend aus, dass es nicht auf einen tagesgenauen zeitlichen Anschluss an den Bezug von Arbeitsentgelt oder eine der übrigen in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Leistungen, sondern darauf ankommt, dass der Versicherte, als er arbeitsunfähig wurde, von einer der im Gesetz aufgeführten Einkunftsarten gelebt haben muss. Eine längere zeitliche Unterbrechung zwischen den zuvor bezogenen Leistungen und dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ist jedoch anspruchsschädlich (BSG, Urteil v. 20.6.1985, 11b/7 RAr 21/84). Teilweise wird es auch für ausreichend erachtet, wenn das Arbeitsverhältnis am letzten Tag vor dem Wochenende geendet hat und eine Heilbehandlung erst am Montag beginnt (Fröhlke, in: Lauterbach, SGB VII, § 45 Rz. 24; ähnlich zum Verletztengeld bei Wiedererkrankung: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 6.6.2006, L 15 U 56/04 – 4 Werktage). An einem vorherigen Lohn- oder Krankengeldanspruch fehlt es indes, wenn ein Arbeits- oder Aushilfsverhältnis auf Abruf jeweils auf einen Tag befristet ist und der Unfall oder die Erkrankung an einem Tag eintritt, an dem der Beschäftigte nicht abgerufen wurde (LSG Berlin, Urteil v. 11.5.2004, L 2 U 36/03).
Ein Selbständiger, der infolge seiner Tätigkeit einen Versicherungsfall erleidet, erhält Verletztengeld nur, wenn sich seine Arbeitsunfähigkeit auf sein Unternehmen auswirkt und die Einkünfte senkt. Das ist immer anzunehmen, wenn der Unternehmer im Betrieb persönlich mitgearbeitet hat und sich die Arbeitsunfähigkeit auf einen nicht unbedeutenden Zeitraum erstreckt.
Rz. 11
Der Anspruch muss auf folgende Leistungen gerichtet gewesen sein:
- Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (vgl. § 14 SGB IV). Im Ausland erzieltes Arbeitsentgelt ist nur dann berücksichtigungsfähig, wenn zwischen dem Staat, wo die Beschäftigung stattfand, und der Bundesrepublik Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen besteht. Dies wird aus dem Bedeutungszusammenhang mit den anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 2 genannten Lohnersatzleistungen gefolgert (Sächs. LSG, Urteil v. 7.3.2012, L 6 U 22/11).
- Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (§ 15 SGB IV).
- Krankengeld wird als Entgeltersatzleistung von der Krankenversicherung gezahlt (§ 44 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 SGB V). Zur Abgrenzung des Krankengelds zum Verletztengeld vgl. Rz. 4 f.
- Verletztengeld aufgrund eines anderen Versicherungsfalls.
- Versorgungskrankengeld wird von der Kriegsopferversorgung aufgrund einer kriegsfolgenbedingten Arbeitsunfähigkeit gezahlt (§ 16 BVG). Die Anrechnung regelt § 52 Nr. 2.
- Übergangsgeld (wegen eines anderen Versicherungsfalles) ist eine unterhaltssichernde Rehabilitationsleistung, die gemäß § 45 SGB IX im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder berufsfördernden Leistungen erbracht wird.
- Unterhaltsgeld wurde gemäß §§ 153 ff. SGB III an Arbeitslose gezahlt, die sich in beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen befanden. Die Vorschriften wurden zum 1.1.2005 aufgehoben. Diese Personen erhalten nun Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung nach § 124 a SGB III.
- Kurzarbeitergeld kommt für Arbeitnehmer in Betracht, wenn ein vorübergehender erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt (§§ 169 ff. SGB III).
- Arbeitslosengeld können Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit (§ 117 Abs. 1 Nr. 1, § 118 SGB III) oder bei beruflicher Weiterbildung (§ 117 Abs. 1 Nr. 2, § 124 a SGB III) beanspruchen.
- Nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II (ab 1.1.2023 Bürgergeld) erhalten erwerbsfähige hilfebedürftige Personen zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr von dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§§ 7, 19 ...