2.1 Keine flächenbezogene Unfallversicherungspflichtgrenze landwirtschaftlicher Unternehmen
Rz. 4
Die Befreiungsmöglichkeit nach § 5 setzt die Versicherungspflicht und damit das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Unternehmens in Abgrenzung zu Kleingärten, privater Gartennutzung und Hobby voraus. Die Rechtsprechung zur RVO hatte bisher keine Mindestgröße landwirtschaftlicher Unternehmen anerkannt, aber eine Bagatellgrenze bejaht, wenn der Umfang der Bodenbewirtschaftung eine arbeitsaufwandsbezogene Geringfügigkeitsgrenze unterschritt. Mit dem Urteil des BSG v. 7.12.2004 (B 2 U 43/03 R) wurde diese Rechtsprechung aufgegeben (vgl. auch Koch, in: jurisPR-SozR 17/2005 § 182 SGB VII). Aus § 5 ergebe sich, dass selbst kleinste Grundstücke, welche die Fläche von 0,25 ha unterschreiten, grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegen (ebenso: Fordey, in: jurisPK-SGB VII, § 5 Rz. 8). Die Notwendigkeit einer Bagatellgrenze, die mit dem Zweck der Unfallversicherung begründet worden war, sei angesichts der Befreiungsmöglichkeit nach § 5 und der Präzisierung des Begriffs "Kleingarten" in § 123 Abs. 2 Nr. 2 nicht mehr erforderlich. Es besteht daher nach der Rechtsprechung des BSG eine widerlegbare Vermutung der Unternehmereigenschaft.
Rz. 5
Beratungshinweis:
Ist die Unternehmereigenschaft zweifelhaft, empfiehlt sich in der anwaltlichen Beratung das Begehren eines Negativatests beim zuständigen Unfallversicherungsträger, ggf. verbunden mit dem (vorsorglichen) Antrag auf Befreiung nach § 5, soweit die Unternehmereigenschaft bejaht wird.
2.2 Voraussetzungen der Versicherungsbefreiung
2.2.1 Landwirtschaftliche Unternehmer i. S. d. § 123 Abs. 1 Nr. 1 und ihre Ehegatten
Rz. 6
In sachlicher Hinsicht muss ein landwirtschaftliches Unternehmen mit Bodenbewirtschaftung nach § 123 Abs. 1 Nr. 1 vorliegen, wozu 3 Voraussetzungen erforderlich sind:
1. |
der allgemeine Unternehmerbegriff, der keiner Gewinnerzielungsabsicht bedarf (vgl. dazu auch Sächsisches LSG, Urteil v. 22.5.2002, L 2 U 183/00, n. v.), |
2. |
Grund und Boden als Betriebsbestandteil und |
3. |
der Zweck der planmäßigen Gewinnung organischer Naturerzeugnisse. |
Die Befreiungsmöglichkeit ist auf landwirtschaftliche Unternehmer i. S. d. § 123 Abs. 1 Nr. 1 und ihre Ehegatten beschränkt. Die anderen landwirtschaftlichen Unternehmer nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 bis 8 wie beispielsweise Unternehmer von reinen Zucht- oder Mastbetrieben können ebenso wenig von der Befreiungsmöglichkeit Gebrauch machen wie landwirtschaftliche Lohnunternehmer.
Beispiele:
Von der Norm erfasst sind Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, des Garten- und Weinbaus, der Fischzucht, der Teichwirtschaft, der Seen-, Bach- und Flussfischerei (Binnenfischerei), der Imkerei sowie der den Zielen des Natur- und Umweltschutzes dienenden Landschaftspflege.
Kraft gesetzlicher Anordnung in § 123 Abs. 2 sind die Haus- und Ziergärten sowie andere Kleingärten i. S. d. Bundeskleingartengesetzes keine landwirtschaftlichen Unternehmen. Darunter werden die sog. Sozial- oder Schrebergärten, Gartenkolonien oder Laubenpieper verstanden.
Ehegatte des Unternehmers ist diejenige Person, die nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften in rechtsgültiger Ehe mit dem Unternehmer lebt (§§ 1310 ff. BGB). Die Ehe endet erst mit der Rechtskraft des Urteils (§ 1313 Satz 2 BGB). Die geschiedene Ehefrau ist von der Vorschrift nicht erfasst.
Der Sinn und Zweck der Norm, einerseits der fehlenden Leistungsfähigkeit des Unternehmens Rechnung zu tragen und andererseits die Entscheidung über die Schutzbedürftigkeit dem Unternehmer selbst zu überlassen, würde auch eine Befreiungsmöglichkeit für mitarbeitende Familienangehörige verlangen (ähnlich auch Ricke, in: KassKomm, SGB VII, § 5 Rz. 2; Kater/Leube, SGB VII, § 5 Rz. 7). Eine solche ist nicht vorgesehen.
2.2.2 Lebenspartner nach dem LPartG
Rz. 7
Die Lebenspartner nach dem LPartG sind nun im Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich geregelt. Art. 3 Nr. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 5.8.2010 (BGBl. I S. 1127) hat zum 11.8.2010 die Lebenspartner nach dem LPartG nun den Ehegatten gleichgestellt.
Die im LPartG v. 16.2.2001 und auch im Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes v. 15.12.2004 unterbliebene Gleichstellung wurde nun als Folgeänderung nachgeholt (BT-Drs. 17/1684 Art. 3 Nr. 4 S. 13).
2.2.3 Nichteheliche Lebensgemeinschaft/Lebenspartner
Rz. 8
Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften oder Lebenspartner einer eheähnlichen Gemeinschaft, die nicht den Status einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG besitzen, sind nicht vom personellen Geltungsbereich der Versicherungsbefreiung des § 5 erfasst. Dies ergibt sich seit der Gesetzesänderung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 5.8.2010 (BGBl. I S. 1127) aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut im Weg des Umkehrschlusses.
2.2.4 Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 5
Rz. 9
Die Befreiung beschränkt sich auf die Versicherungspflicht des landwirtschaftlichen Unternehmers, dessen Ehegatten nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 oder Lebenspartners nach dem LPartG.
Die Befreiungsmöglichkeit ist tätigkeitsbezogen. Sie stellt nur diejenigen Tätigkeiten von der Versicherungspflicht frei, die mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen in wesentlichem Zusammenhang stehen. Das sind die unmittelbar der Bodenbewirtscha...